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Als durchweg positiv wird der Umgang der Yacher Bauern mit den 26 polnischen und ukrainischen
Zwangsarbeitern, darunter ein Drittel Frauen, geschildert. Dass die Ausländer - entgegen den Vorschriften
- mit der jeweiligen Bauernfamilie am Tisch saßen und ihre Mahlzeiten einnahmen, scheint durchgängige
Praxis gewesen zu sein. Um die entwürdigenden Bestimmungen der Behörden und die rassistische
Abwertung der Ostarbeiter als „Untermenschen" kümmerte man sich in Yach einfach nicht.
Das Buch lebt zu einem guten Teil von den 149 Abbildungen. Sie werden durch Schilderungen lokaler
Vorgänge sowie durch deren Einordnung in die größeren politischen Zusammenhänge zum Sprechen gebracht
. Wir haben es mit einer exemplarischen Lokalgeschichte des Zweiten Weltkrieges zu tun, die zur
Nachahmung einlädt. Wolfram Wette
Für Seelenheil und Bürgerwohl. 750 Jahre Stiftskirche und Spital Lahr 1259-2009, im Auftrag der Ev.
Stiftsgemeinde Lahr und der Stadt Lahr hg. von Niklot Krohn, Verlag E. Kaufmann, Lahr 2009, 480 S.,
zahlr. Färb- und S/W-Abb.
Der stattliche Band beginnt mit einem Faksimile der Urkunde vom 30. November 1259, worin Walther von
Geroldseck die testamentarische Verfügung seiner Gattin Heilika zugunsten von zwölf Armen in konkretes
Handeln umsetzte. Er berief nämlich Augustinerchorherren aus dem elsässischen Obersteigen, schenkte
ihnen Grund und Boden unweit seiner Burg und übertrug ihnen die Pflege dieser Armen. Den „langen und
geschwungenen historischen Pfaden aus der klösterlichen Niederlassung am Ufer der Schutter" zu zwei
zentralen Einrichtungen der Stadt Lahr, Stiftskirche und Spital, spüren 25 Autorinnen und Autoren in 26
Beiträgen bis in die allerjüngste Gegenwart hinein nach. Ein ungewöhnlich reiches Bildmaterial illustriert
die Untersuchungen aus den verschiedensten Bereichen der Landesgeschichte, Archäologie, Architektur-
und Kunstgeschichte, Kirchenmusik, aber auch des gegenwärtigen Gemeinschaftslebens in Stiftskirche und
Spital; es deutet sogar zukünftige Planungsziele an, die erst noch umgesetzt werden sollen. In über fünfzig
Infoboxen werden zudem einzelne Begriffe aus den Beiträgen noch einmal aufgenommen und vertieft.
Die großzügige Ausstattung mit Abbildungen kommt vor allem den architekturgeschichtlichen Untersuchungen
zugute, so etwa Guido Linkes Baugeschichte der Stiftskirche, wo nicht nur das Formenrepertoire
der Maßwerke und Säulenkapitelle, sondern auch die Zeichnungen, die Friedrich Eisenlohr 1848
vor der großen Restaurierung der Stiftskirche angefertigt hat, eindrücklich vorgeführt werden. Dasselbe gilt
auch für die Übersicht der Grabmäler im Denkmalshof der Stiftskirche von Anneliese Seeliger-Zeiss und
für die behutsame Baugeschichte des Spitals seit dem 18. Jahrhundert durch Frank Löbbecke.
Ulrich Parlow betrachtet in seinem Beitrag „Vom Kollegiatsstift zur Pfarrkirche von Lahr" eingehend
die kirchenrechtlichen Transformationen vom Gründungskloster (1259) über das weltliche Kollegiatsstift
(1482) bis zu dessen Aufhebung und Umwandlung in die Pfarrkirche der Stadt (1558). Seitdem existierte
das Stift als geistliche Institution nur noch im Namen der Stiftskirche: „Ein Anachronismus, wenn auch ein
sehr lebendiger." Hans-Peter Widmann konzentriert sich vor allem auf die Zeitspanne der Spitalstiftung, er
bindet sie aber in eine vergleichende landesgeschichtliche Sicht ein. Erwartungsgemäß spielt dabei das
Freiburger Heiliggeist-Spital eine maßgebliche Rolle. Als besonderes Merkmal des Lahrer Spitals hebt er
hervor, dass es noch lange eines der ganz wenigen Klosterspitäler am Oberrhein gegenüber den weitaus
zahlreicheren Bürgerspitälern blieb. Auch Hans Bornkamm („Lahr und die Stiftskirche im Spannungsfeld
von Reformation und Gegenreformation") weitet den lokalen Blickwinkel in ein Panorama der reformatorischen
Bewegung am Oberrhein aus, wobei, auch wieder erwartungsgemäß, die Stadt Straßburg eine zentrale
Rolle spielte.
Im Ganzen gesehen bietet sich der Band als ein vorzügliches Lese- und Nachschlagebuch an, das belegt,
wie die Gegenwart aus alten Traditionen lebt und Kraft schöpft. Eugen Hillenbrand
Birgit Volk-Nägele: Das Freiburger Münster unter Strom. Über die Aufnahme der Technik in die Kirche
(Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte 53), Verlag Karl Alber, Freiburg/München 2009, 168
S., 2 Färb- und 30 S/W-Abb.
In ihrer 2008 als Dissertation an der Universität Paderborn angenommenen Publikation untersucht Birgit
Volk-Nägele das Verhältnis von Technik und Liturgie und den Einfluss technischer Gerätschaften auf den
Gottesdienst an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert am Beispiel des Freiburger Münsters.
Volk-Nägele stellt ihrer Untersuchung ein ausführliches historisches Kapitel voran, in dem das Ver-
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