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Die besonderen Rechtsstrukturen am Münster brachten sehr komplexe Partikularrechte mit
sich, die durch drei eigenständige Institutionen wahrgenommen wurden. Für den Bau der städtischen
Pfarrkirche und deren späteren Ausbau zum Münster war die Münsterfabrik verantwortlich
- im Grunde eine Werkstattgemeinschaft, die sich bereits im 13. Jahrhundert als mittelalterliche
Stiftung unter den Herzögen von Zähringen gebildet hatte.21 Da die Stadt die Baulast
an der Pfarrkirche trug, besaß der Stadtrat eine weitgehende Verfügungsgewalt. Ihm oblag die
Münsterpflege, wofür er drei Münsterpfleger bestellte, die im städtischen Auftrag, geleitet von
einem geistlichen Schaffner, die Bauhütte verwalteten. Die Stadt hatte auch das Besetzungsrecht
für die Predigerstelle und etliche Altarpfründen und Kaplaneien inne.22
Die zweite Institution war die Münsterpräsenz, eine Vereinigung von Kaplänen, die sich um
die Stiftungsaufträge der Pfründen kümmerten. Das Besetzungsrecht für die Pfründen lag bei
der Stifterfamilie, bei der Münsterpfarrei oder Münsterpflege.23 Vor allem im 14. Jahrhundert
war die Zahl der vom städtischen Adel und Bürgertum gestifteten Stellen enorm gestiegen. Bis
ins 16. Jahrhundert hinein waren im Münster etwa 50 Geistliche bepfründet und in den Mess-
und Gebetsdienst eingebunden.24
Das dritte Rechtssubjekt war die Münsterpfarrei, die nun Mitte des 15. Jahrhunderts die
Universität übernahm, die damit rector ecclesiae, also Pfarrherrin und Patronin der Münsterpfarrei
, wurde. Augenscheinlich wird an dieser Konstellation der verschiedenen Anspruchsgruppen
, dass Überschreitungen der Zuständigkeitsbereiche schnell zu Konfliktfeldern fuhren
konnten. Verständlich wird daran auch, dass die Inkorporation des Münsters in die Universität
nie vollständig vollzogen wurde, sondern sich auf die Pfarrei mit ihren Einkünften beschränkte
. Die Münsterfabrik und die Körperschaft der Münsterkapläne blieben stets eigene Rechtssubjekte
.25
Religiöse Praxis und Bedeutung des Münsters
Das Münster erfüllte für beide Seiten, Universität und Stadt, nicht nur sakrale und religiöse
Funktionen, sondern wurde darüber hinaus auch für weltliche Zwecke genutzt. Neben
Festgottesdiensten zu Kirchenfesten und Feierlichkeiten der Universität stellte das Münster
über viele Jahrhunderte einen zentralen Ort für repräsentative und administrative Anlässe dar.
Im Hochchor fanden sowohl Wahlen und Senatssitzungen als auch die feierlichen Promotionen
statt. Auch der Stadtrat benutzte die Kirche und den Kirchhof für städtische Festakte, Versammlungen
der Bürgerschaft, Gerichtssitzungen und Versteigerungen.26 Dies bestätigt die Funktion des
Münsters als besonderen, zentralen Versammlungsort für die städtische Öffentlichkeit, was sich
auch in seiner herausgehobenen Stellung und Wahrnehmung ausdrückt. Im Münster vereinigte
sich die alltagsbestimmende Stellung der Kirche und religiösen Handlungen mit der städtischen
Versammlungsfunktion bei politischen Anlässen. Insofern muss das Münster auch als politischer
Ort angesehen werden. Für die Stadt dürfte es darum von großem Belang gewesen sein, dass der
Landesherr die Inkorporierung des Münsters für seine Universitätsstiftung vorsah.
21 Stutz (wie Anm. 9), S. 18f.; Wolfgang Müller: Mittelalterliche Formen kirchlichen Lebens am Freiburger
Münster, in: Freiburg im Mittelalter, hg. von Wolfgang Müller (Veröffentlichung des Alemannischen Instituts
29), Bühl 1970, S. 141-181, hier S. 143.
22 Nicola Eisele: Das Basler Domkapitel im Freiburger Exil (1529-1628). Studien zum Selbstverständnis einer
reichskirchlichen Institution (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte 49), Freiburg/München 2004,
S. 239; siehe auch Müller (wie Anm. 21), passim.
23 Stutz (wie Anm. 9), S. 20f; Rudi Allgeier: Die Münsterpfarrei, in: Ott/Schadek (wie Anm. 16), S. llf., hier S. 12.
24 Müller (wie Anm. 21), S. 150 und 166.
25 Stutz (wie Anm. 9), S. 18.
26 Heinrich Finke: Universität und Stadt Freiburg in ihren wechselseitigen Beziehungen. Rede bei der Feier des
Stadtjubiläums im Auftrage des Senates gehalten, Freiburg 1920, S. 16.
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