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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
131.2012
Seite: 54
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armen hüten, so jetzund umb Gnad werbend, erst das Recht für schlackend. Werend si in dem
Vermügen, das sifüro mit üch Herren Rechtstag verstan möchtend, so dorft es des alles nit; hie
wer kain Clag. Nicht am geltenden Recht, gehandhabt durch ein ordentliches Gericht, sollten
die bäuerlichen Klagen gemessen werden, sondern am Göttlichen] Recht, das jedem Stand
usspricht, was im gebürt, ze tun oder ze lassen. Als die Herren mit spottlichen Worten fragten,
wer denn solches Recht aussprechen solle, da Gott wohl kaum vom Himmel herabsteige, um
einen Gerichtstag anzusetzen, antwortete Huldrich Schmid, die Priester aller Kirchspiele sollten
im Gebet Gott bitten, uns gelerte, frome Männer [anzuzeigen], die diesen Span nach Lut gottlicher
Gschrift wissen urtailen und ze entschaiden.6

Huldrich Schmid hat in wenigen Worten umrissen, was das Göttliche Recht ist. Es wird
gefunden in der Bibel, im Evangelium. In seinem „Wort" hat Gott den Menschen die Richtschnur
für Recht und Unrecht, Gut und Böse gegeben; sein Wort „ist" das Göttliche Recht. Die
zuständigen Fachleute, dieses Recht auszusprechen (denn nur darum kann es sich handeln), sind
die gelehrten Theologen. „Das war der Durchbruch zu einem völlig neuen Rechtsverständnis
und gleichzeitig die Abkoppelung von einer mehrhundertjährigen Tradition des Alten Rechts."7
Der Appell an das Göttliche Recht des Evangeliums, von Huldrich Schmid am 27. Februar 1525
so wirkungsvoll in Szene gesetzt, stellte die gesamte überkommene Einrichtung der Welt auf
den Prüfstand; er markierte den qualitativen Sprung, der aus „Aufruhr und Empörung" die „Revolution
des Gemeinen Mannes" machte.

Für den 6. März lud der Baltringer Haufe Vertreter der Allgäuer und der Bodensee-Bauern zu
einer gemeinsamen Beratung nach Memmingen ein. Ort der Unterredung war die Stube der Kramerzunft
. Die Tagung eröffnete Huldrich Schmid mit einem Grundsatzreferat, in dem er die
Haufen auf zwei Grundsätze festlegte. Er band die bäuerliche Sache zum einen kompromisslos
an das Göttliche Recht und damit an den noch ausstehenden Spruch der Theologen. Zum anderen
erteilte er, unterstützt von Christoph Schappeler, einem gewaltsamen Vorgehen gegen die
Obrigkeiten eine Absage; mit friedlichem Druck sollten die Herren dazu gebracht werden, sich
ebenfalls dem Göttlichen Recht zu unterwerfen. Demgegenüber pochten die Allgäuer und
Bodenseer darauf, die Gunst der Stunde zu nutzen; sie wollten, wenn nötig, mit dem Schwert
erstreiten, was ihnen ihrer Meinung nach zukam. Die Positionen waren unvereinbar, und die
Baltringer rechneten mit der Abreise der Allgäuer und Bodenseer. Doch die Vertreter der beiden
Haufen kehrten noch am späten Nachmittag des 6. März an den Verhandlungstisch zurück. Per
Handschlag einigten sie sich mit den Baltringern auf ein gemeinsames Vorgehen. Nach sollicher
Verainbarung verfasstend si anhellig die Artikel in Geschrift, sampt den Stätten und Personen,
so zu Richter erkiest und ernempt; welche ganz vollendet und beschlossen zechenden Tag
Merzens, demnach in gemainem Truck geoffenbaret}

Die Artikel, die die bäuerlichen Vertreter einhellig verfassten, hat der Chronist Johannes
Keßler seinem ausführlichen Bericht hinzugefugt. Sie waren das Grundgesetz der christenlichen
vereynigung, zu der sich die drei oberschwäbischen Haufen miteinander verbanden. Die moderne
Geschichtsforschung spricht kurz von der „Memminger Bundesordnung".9

Die Verfasser gaben der Bundesordnung den wenig aussagekräftigen Titel Handlung vnd
Artickel, ergänzt um die nähere Angabe so fürgenomen worden auff Ajftermontag nach Inuocauit

6 Die Zitate in: Franz (wie Anm. 5), S. 146f.; Alter (wie Anm. 5), S. 147.

7 Peter Blickle: Der Bauernkrieg. Die Revolution des Gemeinen Mannes (C. H. Beck Wissen 2103), München
1998, S. 20f.

8 Franz (wie Anm. 5), S. 148; Alter (wie Anm. 5), S. 149. Die von Keßler erwähnten „Richter" sind die Theologen,
die das Göttliche Recht aussprechen und auf seiner Basis über die Klagen der Bauern urteilen sollten. Das von
Keßler genannte Datum der endgültigen Verabschiedung der Bundesordnung, der 10. März, stimmt nicht.

9 Zur Edition der „Memminger Bundesordnung" s. u. S. 56 Anm. 14 und 15.

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