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Die Arbeit von Peter Blickle hat wiederum Gottfried Seebaß veranlasst, drei zentrale
Dokumente des südwestdeutschen Bauernkriegs, den Artikelbrief, die Bundesordnung und den
Verfassungsentwurf, einer ebenso akribischen wie umfassenden Analyse zu unterziehen (1988).
Was die Bundesordnung betrifft, so hatte zuvor Tom Scott eine weitere Handschrift im Generallandesarchiv
Karlsruhe entdeckt, die in der Reihenfolge der Artikel „ganz" und im Wortlaut
„weithin" der Basler Fassung entspricht. Im Wesentlichen aufgrund einer textimmanenten Untersuchung
kam Seebaß für die Bundesordnung zu einem Ergebnis, das alle bisherigen Annahmen
widerlegte. Die handschriftlichen Langfassungen (Augsburg, Freiburg, Karlsruhe/Basel
) waren nicht Vorstufen einer am 7. März in Memmingen verabschiedeten Bundesordnung,
sondern spätere Fort- und Weiterentwicklungen. Sie waren Ergebnisse bewusster Umarbeitungen
, die auf veränderte Umstände reagierten. So entstanden nach und neben der Memminger
Bundesordnung, repräsentiert durch die 1. und 2. Druckfassung, handschriftliche Bundesordnungen
, die in ihren jeweiligen regionalen und zeitlichen Kontexten zu sehen sind. (Die
Augsburger, Freiburger und Karlsruher Fassungen behielten das ursprüngliche Datum, 7. bzw.
6. März, bei; nur der Basler Text hat keine Datumsangabe)29.
5. Die „Artikel" der Schwarzwälder und oberrheinischen Bauern:
Die Bundesordnung in der Freiburger (Lang-)Fassung
Anfang April 1525 war die Unruhe im östlichen Schwarzwald erneut ausgebrochen.30 Am 8. Mai
stand der Bauernhaufe unter Führung des Hans Müller von Bulgenbach bei Vöhrenbach, einem
Dorf westlich von Villingen. An diesem Tag sandten die Hoptlüt vnd rät des huffen vff dem
Schwartzwald einen Boten mit - wahrscheinlich - zwei Schriftstücken nach Villingen (Abb. 3).31
In einem ersten, nur wenige Zeilen langen Anschreiben, gerichtet an burgermaister vnd rät vnd
gantze gemaind der statt Vilingen, fordert der Haufe die Stadt auf, sich einer - bereits bestehenden
- cristenlich[en] brüderschaft anzuschließen, nach lut des artikelbrief, so wir euch hiemit ouch
schicken. Der nachgestellte Verweis auf einen mitgeschickten „Artikelbrief' ist so zu verstehen,
dass dieser die Bruderschaft, der Villingen beitreten sollte, näher vorstellt, „damit die Empfänger
erfahren, auf was sie sich denn da einlassen sollen".32
„Die Augsburger, Freiburger, Karlsruher/Basler Fassungen repräsentieren den [Druckfassungen] gegenüber ein
deutlich späteres Stadium. Ihnen allen scheint eine an die erste Druckfassung anknüpfende erweiterte Fassung der
Bundesordnung zugrunde zu liegen [...]. Die Veränderungen und vor allem die zugefügten Abschnitte dieser
Vorform machen ganz deutlich, dass es sich um eine während des laufenden Aufstandes entstandene ,Fort-
schreibung' der ersten Druckfassung handelt". SEEBAß (wie Anm. 14), S. 102-148, Zitat S. 146. - Zum Datum der
Freiburger und der Karlsruher Fassung: 6. März, s. o. S. 58 Anm. 18.
0 Näheres dazu u. S. 70-73.
1 Die Schreiben liegen nicht mehr im Original vor. Vorhanden sind zwei unabhängig von einander entstandene
Abschriften. Die erste Kopie wurde vom Villinger Rat an Freiburg zur Information über das Geschehene gesandt,
StadtAF, Cl Militaria 101, fol. 92r-93v; ein zeitgenössischer Freiburger Kanzleibeamter hat die Bemerkung hinzugefügt
: Neue zittung von Willingen. Edition dieser Abschrift bei SEEBAß (wie Anm. 14), S. 34-36; auch in
Schreiber (wie Anm. 17), Nr. 217, S. 87-89, und Franz (wie Anm. 5), Nr. 68, S. 235f. Die zweite Kopie fertigte
der Villinger Ratsherr Heinrich Hug (gestorben wohl 1533) an und nahm sie in seine Villinger Chronik auf:
Heinrich Hugs Villinger Chronik, hg. von Christian Roder (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart
164), Tübingen 1883, S. 117-119. Eine dritte Abschrift hat der „Schreiber des Truchsessen Georg III. von
Waldburg" in seine Biographie des Truchsessen eingefügt; abgedruckt in K[asimir] Walchner/Johann Bodent:
Biographie des Truchsessen Georg III. von Waldpurg. Aus handschriftlichen Quellen bearbeitet und mit einem
Anhang von Urkunden versehen, Konstanz 1832, Beilage Nr. 22, S. 278-281. Doch bezweifelt SEEBAß (wie Anm.
14), S. 19-22, hier S. 19, „dass es sich um eine eigenständige und wertvolle Überlieferung handelt". - Alle folgenden
Zitate nach der Edition von Seebaß.
2 Seebab (wie Anm. 14), S. 37.
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