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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
131.2012
Seite: 62
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2012/0064
Das zweite Schreiben trägt in den überlieferten Texten die Überschrift „Artikelbrief'. Diese
Benennung wirft freilich Fragen auf; und auf keinen Fall sollte man den im Anschreiben
erwähnten „Artikelbrief' mit diesem Schreiben gleichsetzen. Denn es gibt gute Gründe zu vermuten
, dass die Schwarzwälder unter dem ersterwähnten „Artikelbrief' ein drittes Schriftstück
verstanden (wozu noch Näheres zu sagen sein wird)33, das dem zweiten Schreiben - in der Überschrift
als „Artikelbrief' bezeichnet - als Anlage beigegeben war oder zumindest beigegeben
werden sollte.34 Um ein Missverständnis zu vermeiden, spreche ich im Folgenden vom sogenannten
„Artikelbrief', wenn das zweite Villingen übergebene Schreiben gemeint ist.

Der sogenannte „Artikelbrief' ist ein Formularschreiben, das mit seiner allgemein gehaltenen
Anrede an eine beliebige Stadt versandt werden konnte.35 Absender ist eine cristenliche verai-
nigung vnd brüderschaft (beide Begriffe bezeichnen dieselbe Sache). Im vorliegenden Fall fordert
die Vereinigung die Stadt Villingen mit früntlich\tx\ pitt, ansinnen vnnd brüderliche[r]
ersuchung auf, sich ihr anzuschließen, damit gemainer cristenlicher nutz vnnd brüderliche lieb
widerumb vffgericht, erpuwen vnnd gemert werde. Sollte die Stadt sich der Bitte verweigern
(des wir vnns doch kains wegs versehen), werde sie mit dem weltlichen Bann belegt. In einer
Nachschrift wird der weltliche Bann definiert als Ausschluss des Gebannten aus jeder
Gemeinschaft mit den Mitgliedern der „Christlichen Vereinigung". Da aus schlossern, clostern
vnd pfaffenstyfftung[Qn] nichts als vnraut, zwangknuß vnd verderpnuss über den Gemeinen
Mann gekommen ist, sind diese von stundan mit dem Bann belegt; ihre Besitzer, Adlige und
Geistliche, können sich aus dem Bann lösen, wenn sie aus den herrschaftlichen Häusern, den
steinernen Zeugnissen der Unterdrückung, ausziehen und Mitglied der Vereinigung werden.
Dem Bann verfällt auch, wer den Feinden der „Christlichen Vereinigung" Hilfe und Unterstützung
zukommen lässt.

Bevor die Stadt Villingen zum Anschluss aufgefordert wird, legte die „Christliche
Vereinigung und Bruderschaft" einleitend ihr Selbstverständnis und die Motive ihres Handelns
dar. [D]em armen gemainen man in Stetten vnnd vff dem lannd [sind] von gaistlichen vnnd weltlichen
herren vnnd oberkhaiten große Beschwerden wider gott vnd alle gerechtigkait auferlegt
worden. Solche Bürden kann der Gemeine Mann nicht länger tragen, er bringe denn sych vnnd
sine kindskind ganntz vnnd gar an [den] bettelstab. Deshalb ist es das Ziel diser cristenlichen
verainigung, sich mit der Hilfe Gottes aus dieser Lage zu befreien. Das soll, soweit irgend möglich
, geschehen on alle schwertschleg vnd blütvergiessung, welches dann nit wol sein mag on
brüderliche ermanung vnnd verainigung in allen gepürlichen Sachen, den gemainen cristenlichen
nutz betreffende, in disen byligenden artikeln begriffen. Das heißt: Eine unblutige Änderung
des herrschenden Zustands ist nur möglich, wenn der Gemeine Mann sich fest zusammenschließt
und „vereinigt", d.h. konkret: sich der bestehenden „Christlichen Vereinigung" anschließt.

S. u. S. 63-65.

Gottfried Seebaß hat dargelegt, dass sich die Bezeichnung „Artikelbrief' ursprünglich und eigentlich wohl auf die
dem zweiten Schreiben beizufugenden „Artikel" bezog. Alle Abschriften teilen diese „Artikel" jedoch nicht mit;
es ist deshalb zu vermuten, dass sie versehentlich oder absichtlich auch gar nicht beigefügt worden waren. Für den
Schwarzwälder Haufen, so Seebaß weiter, „waren die Artikelreihe und das Schreiben, in dem sie als Beilage
erwähnt wurde, bereits so fest zusammengehörig, dass sie auch letzteres als ,Artikelbrief' bezeichnen konnten",
selbst wenn die namengebenden beigefügten „Artikel" fehlten. SEEBAß (wie Anm. 14), S. 37-39, Zitat S. 38.
Möglich ist meines Erachtens aber auch eine andere Erklärung. Da den Kopisten der beiden Schreiben gar keine
„Artikel" vorlagen, setzten sie den „Artikelbrief' des Anschreibens mit dem zweiten Schriftstück gleich und überschrieben
dieses mit „Artikelbrief'. Die Überschrift wäre dann von den Kopisten hinzugefügt worden. Dafür
könnte sprechen, dass sie in den drei vorliegenden Exemplaren unterschiedlich formuliert ist: Artigkelbrieff - Das
ist der artickelbriff von wortt zu wortt, wie hernach stautt - Artickelbrief A. (Freiburger Exemplar - Heinrich Hugs
Abschrift - Schreiber des Truchsessen). Aus der Tatsache, dass dem zweiten Schreiben die angekündigten Artikel
nicht (mehr) beilagen, folgte bei Heinrich Hug (vgl. o. Anm. 31) ein weiteres Missverständnis. In den byligenden
artikeln sah der Chronist nun die drei Abschnitte (vermeintliche Artikel), in denen am Ende des zweiten
Schreibens der weltliche Bann erklärt wird.

Ersamen, wysen, günstigen herrn, frund vnnd lieben nachpurn! Vgl. dazu Seebab (wie Anm. 14), S. 43.

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