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Anfang Mai trennten sich die beiden Haufen. Die Hegauer kehrten in ihre Heimat zurück, die
Schwarzwälder schwenkten nach Westen ab.82
Am 8. Mai stand der Schwarzwälder Haufe bei Vöhrenbach.83 Von dort sandte er einen Boten
mit wahrscheinlich zwei Schriftstücken nach Villingen. In einem kurzen Anschreiben forderte
der Haufe die Stadt auf, sich der bestehenden (!) „Christlichen Vereinigung und Bruderschaft
" anzuschließen.84 Der sogenannte „Artikelbrief' wiederholte die Aufforderung zum
Beitritt und drohte für den Fall der Weigerung den weltlichen Bann an.
Im Anschreiben und im sogenannten „Artikelbrief' verwiesen die Absender auf einen „Artikelbrief
' bzw. auf „Artikel", welche den Schreiben beigefügt werden sollten.85 Wir haben im
vorhergehenden Kapitel wahrscheinlich gemacht, dass es sich bei dem „Artikelbrief' bzw. bei
den „Artikeln" um einen Text der Bundesordnung handelte. Diese Sicht wird jetzt durch die
Tatsache gestützt, dass sich der Schwarzwälder und der Hegauer Haufe Mitte April zu einer
„Christlichen Vereinigung und Bruderschaft" verbunden hatten, deren vertragliche Grundlage
die Bundesordnung war. Dieser Vereinigung sollte nun auch Villingen beitreten.
Ich schließe eine Beobachtung zur Terminologie an. Im Anschreiben an die Stadt Villingen
verwiesen die Hauptleute und Räte des Schwarzwälder Haufens auf einen artikelbrief, so wir
euch hiemit ouch schicken. In den oben erwähnten Schreiben der Hegauer vom 3. und 9. Juni
war „Artikelbrief' die Bezeichnung für die Bundesordnung. Auch der Stadt Bräunlingen wurde
unter der Bezeichnung „Artikelbrief' die Bundesordnung vorgelegt, deren „Artikel" die Stadt
wollte helfen hanthaben. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Schwarzwälder in ihren
Schreiben an Villingen unter „Artikelbrief' und „Artikel" ein anderes Schriftstück verstanden
haben sollten.
Gottfried Seebaß hat mit überzeugenden Argumenten dargelegt, dass die handschriftlichen
Langfassungen der Bundesordnung Fortschreibungen eines älteren, „ursprünglichen" Textes
sind, der in Memmingen am 677. März beraten, verabschiedet und wenige Tage später in Druck
gegeben wurde.86 Von den handschriftlichen Langfassungen steht bei allen Unterschieden -
der Augsburger Text den Drucktexten noch am nächsten, da er wie diese einen „Schlösserartikel
" kennt.
Mit dem Augsburger Text stimmt die Freiburger Fassung der Bundesordnung weitgehend überein
.87 Das kann nicht überraschen. Der Hegauer und der Schwarzwälder Haufe hatten sich Mitte
April zu einer Bruderschaft zusammengeschlossen. Deren Grundgesetz war die Bundesordnung,
im Sprachgebrauch der Zeit der „Artikelbrief'; und selbstverständlich besaßen beide Hufen ein -
zumindest nahezu - identisches Exemplar.88 Spätestens in dem Augenblick jedoch, in dem die
Schwarzwälder den sogenannten „Artikelbrief' mit beigefugter Bundesordnung (so zumindest die
Absicht) als „offizielles" Dokument versandten, musste der „Schlösserartikel" aus ihrer Bundes-
Zum Zug des Schwarzwälder Haufens s. Heinrich Hugs Villinger Chronik (wie Anm. 31), S. 115f., sowie die
Karte in Buszello (wie Anm. 2), S. 72.
Zum Folgenden vgl. o. S. 60-65.
Es ist wichtig zu betonen, dass die „Christliche Vereinigung" bereits bestand; zu ihr hatten sich Mitte April der
Schwarzwälder und der Hegauer Haufe zusammengeschlossen, wie oben dargelegt wurde.
Im Anschreiben: nach lut des artikelbrief, so wir euch hiemit ouch schicken; im sogenannten „Artikelbrief': in
disen byligenden artikeln begriffen.
S. o. S. 60.
Beide Fassungen haben den Synodal- und Malefizartikel sowie den Artikel über die Herdstätten-Steuer; ferner den
Artikel über die Achtung landschaftlicher Besonderheiten von Mitgliedern der Vereinigung (Sprache und
Kleidung). Auch legen beide Fassungen fest, dass der Beitritt zur Vereinigung mit „Brief und Siegel" beurkundet
werden soll. Diese fünf Artikel stehen nicht in den beiden Druckfassungen, sind also Erweiterungen.
Wie und auf welchen Wegen die Bundesordnung in den Hegau und/oder in den Schwarzwald kam, lässt sich wohl
nicht mehr ermitteln. Die einfachste Erklärung wäre natürlich die, dass die Hegauer ihr (Augsburger) Exemplar
Mitte April in den Schwarzwald brachten. S. dazu auch u. S. 82 Anm. 147.
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