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Ordnung gestrichen werden. Denn dieser sicherte den Inhabern von Schlössern und Klöstern
grundsätzlich den Besitz und Gebrauch jener Gebäude zu. Nur für den Fall, dass die Inhaber
nicht Mitglieder der „Christlichen Vereinigung" sein sollten, wurden mit freundtlicher erma-
nung Auflagen gemacht.89 Demgegenüber traf der sogenannte „Artikelbrief' wesentlich radikalere
Anordnungen. Er belegte Schlösser, Klöster und Pfaffenstiftungen pauschal und ab sofort
mit dem weltlichen Bann. Selbst wenn Adlige oder Kleriker der „Christlichen Vereinigung" beitraten
, mussten sie als Vorbedingung und Zeichen der Läuterung aus den Zwingburgen der
Unterdrückung ausziehen und in gemaine[n] hüser[n] wie ander frembd lüt Wohnung nehmen.
In der Praxis gingen die Schwarzwälder über die Verhängung des weltlichen Bannes sogar
noch hinaus, indem sie Burgen zerstörten und Städte gewaltsam zum Anschluss brachten.90
Mit dem Wegfall des Schlösserartikels trug die Bundesordnung in der Freiburger Fassung der
Tatsache Rechnung, dass sich das Verhalten der Aufständischen gegenüber Adel und Klerus seit
der Memminger Beratung Anfang März radikalisiert hatte. Dementsprechend wurde nun auch
der militärische Aspekt der Bundesordnung stärker betont. Den Obersten und Räten der Haufen
wurde in der Freiburger Fassung ausdrücklich das Recht zugesprochen, Ordnung mit stürmen,
vfzepietten vndzuzeziehen furzenemen.9X Mit einer derart gewandelten Gesinnung hängt es vielleicht
auch zusammen, dass im Titel des Freiburger Textes nicht mehr von „Artikeln", sondern
von „Feldartikeln" gesprochen wird.
Am 9. Mai zog der Schwarzwälder Haufe aus Vöhrenbach ab, ohne aus Villingen eine Antwort
erhalten zu haben.92 Von den beiden Schreiben, dem Anschreiben und dem sogenannten
„Artikelbrief', ließ der Rat eine Kopie anfertigen, die er zur Information nach Freiburg sandte.93
Über Furtwangen, Triberg, St. Georgen, wieder Furtwangen, St. Märgen, St. Peter, Kirchzarten
und Ebnet marschierte der Schwarzwälder Haufe nach Freiburg, wo er auf die Haufen aus dem
Markgräflerland, dem Breisgau, der südlichen Ortenau und der Markgrafschaft Hachberg stieß.94
Auf dem Weg nach Freiburg sandte der Haufe mehrere Schreiben an die Stadt.95 In ihnen legitimierte
er sein Tun und Vorhaben als billich (oder: gut) Fürnehmen: er begehre nütz onbillichs.96
Zum Beweis stellte er immer aufs Neue drei Leitziele heraus, die man unschwer auf die Präambel
sowie die Artikel 1 und 2, auch 6 der Bundesordnung97 zurückführen kann:
Das Wort Gottes und das heilige Evangelium solle verkündet und gepredigt, eröffnet werden.
- Alle dem Gemeinen Mann auferlegten Lasten („Beschwerden"), die keine Begründung im
Göttlichen Recht des Evangeliums finden, sollen aufgehoben werden.99
- Der (Land-)Friede soll gesichert werden.
Ein „Herr", der nicht der „Christlichen Vereinigung" angehörte, sollte das Schloss oder das Kloster nicht mit Geschütz
bestücken und es nur mit Knechten besetzen, die Mitglied der „Christlichen Vereinigung" waren. Von den
Schlössern und Klöstern sollte keine militärische Bedrohung mehr ausgehen.
90 In einem Schreiben an Freiburg vom 17. Mai drohte der Schwarzwälder Haufe der Stadt, sollte sie sich der „Christlichen
Vereinigung" nicht anschließen, so willen wir [...] näher zu Euch hausen, und in Euer Stadt brechen, und wo Ihr uns
ein Mann schädigen, so willen wir kleine Barmherzigkeit mit Euch theilen. Schreiber (wie Anm. 17), Nr. 243, S. 113.
91 Diesen Passus hat die Augsburger (Lang-)Fassung nicht.
92 Heinrich Hugs Villinger Chronik (wie Anm. 31), S. 117. Den Boten der Bauern nahmen die Villinger gefangen.
93 S. o. S. 60 Anm. 31.
94 Zum Bauernkrieg im Breisgau und in der südlichen Ortenau s. Karl Hartfelder: Zur Geschichte des Bauernkriegs
in Südwestdeutschland, Stuttgart 1884, S. 268-371 und 402-421; zutreffend ist immer noch die Beschreibung
der Ereignisse, die Interpretation ist ergänzungsbedürftig. Zum Markgräfler Haufen s. Karl Seith: Das
Markgräflerland und die Markgräfler im Bauernkrieg des Jahres 1525, Karlsruhe 1926.
95 S. die Schreiben in Schreiber (wie Anm. 17) zwischen dem 14. und 21. Mai.
96 Ebd., Nr. 233 und 251 (S. 104 und 120).
97 Die Artikelzählung nach der Freiburger Fassung.
98 Schreiber (wie Anm. 17), Nr. 238 und 243 (S. 109 und 113). Vgl. dazu aus der Freiburger (Lang-)Fassung der
Bundesordnung: zu ervffung des heiigen ewangeliums (o. S. 67).
"Hier sei auf eine weitere Übereinstimmung aufmerksam gemacht. In einem Schreiben, ebd., Nr. 217a, S. 89, lesen
wir: dem göttlichen Rechten einen Bystand zu thund. In der Freiburger Fassung der Bundesordnung heißt es: ouch
zu bystand der gotlichen gerechtigkeit (o. S. 67).
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