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Dienstleistungen verschiedener Art. In St. Peter kamen zu den Lasten für das Kloster noch die
für die habsburgische Regierung, da St. Peter zu Vorderösterreich gehörte.
Eine ungewöhnliche Pflichtübung als österreichische Untertanen hatten die Einwohner von
St. Peter zu erfüllen, als die österreichische Erzherzogin Marie Antoinette auf ihrer Brautfahrt
von Wien nach Paris am 4. Mai 1770 mit großem Pomp in Freiburg empfangen wurde, wo man
u.a. eine monumentale, vom berühmten Johann Christian Wentzinger entworfene Ehrenpforte
errichtet und zahlreiche festliche Veranstaltungen vorbereitet hatte. Und auch St. Peter hatte seinen
Beitrag zu dem Ereignis zu leisten. Vom örtlichen Adel, der Geistlichkeit und den politischen
Repräsentanten wurde erwartet, dass sie Marie Antoinette ihre Aufwartung machten, und
so nahm auch Abt Steyrer an den Festlichkeiten in Freiburg teil. Das prunkvolle Treiben beobachtete
er kritisch; er rügt im Tagebuch die hohen Kosten des verschwenderischen Aufwandes,
aber auch das skandalöse Verhalten mancher Ordensleute, die bei den Ballettaufführungen im
Theater (so Steyrer) „o welche Schande, gierig die tanzenden Mädchen angestarrt haben". Am
Ende dieses Festtages notiert er in Freiburg: „Am Abend kommt auch unser Schreiber Schienle
[in Freiburg] an, der zusammen mit unseren Untertanen aus dem Seigut [sie!], Rohr, Espach
[Eschbach] und Ibenthal von ihrem zehnten Lebensjahr an am Weg auf die Ankunft der
Prinzessin in der Holl warten musste [...]" (4.5.1770). - So wie die Bürgerschaft Freiburgs sich
in festlicher Kleidung beiderseits der Straßen der Stadt aufstellen musste, wurde der ländlichen
Bevölkerung befohlen, am Reiseweg der Marie Antoinette im Höllental eine Jubelkulisse zu
bilden, an der die (übrigens erst vierzehnjährige) Prinzessin mit ihrem Gefolge von 235
Personen, 57 Wagen, 250 Zug- und Reitpferden vorüberzog4 ein Erlebnis, das die Leute von
St. Peter mit Sicherheit für lange Zeit beschäftigte und mit Gesprächsstoff versorgte.
Nebenbei sei erwähnt, dass die St. Petermer Untertanen außer zu den bekannten Frondiensten
für das Kloster u.a. auch als Treiber bei der Jagd eingesetzt wurden (9.11.1754). Viel
bedrückender war indessen die Zwangsverpflichtung zum Wegebau, der ein besonders häufig
und regelmäßig wiederkehrendes Thema im Abtstagebuch ist. Der Straßenbau schafft die
Grundlagen für die Kultivierung einer Landschaft, für Handel und Verkehr, doch für die Bauern
bedeutete er eine schwere Last. Einen lebensnahen Eindruck von dieser bedrückenden Situation
vermittelt eine zeitgenössische Dichtung des Prämonstratenser-Chorherrn Sebastian Sailer
(1714-1777) aus dem Kloster Obermarchtal in Oberschwaben, der u.a. als Autor des Theaterstücks
„Die schwäbische Schöpfung" bis heute bekannt und populär ist. Zum Empfang der
Dauphine Marie Antoinette, die auf ihrer oben erwähnten Brautfahrt 1770 auch das Kloster
Obermarchtal besuchte, dichtete und komponierte Sailer ein Singspiel mit dem Titel „Beste Gesinnungen
schwäbischer Herzen". Darin lässt er einen Bauern namens Theißle (= Matthias,
Mattheis), der an der Reisestrecke der Prinzessin am Straßenausbau mitarbeiten musste, im
schwäbischen Dialekt ein Protest- und Klagelied übers Wegemachen singen:5
S'Weagmacha ischt a baisa Sach, / koi Arbat ischt so schlimm: / ma hoat koi Haus, ma hoat
koi Dach, / und s 'Fuatter ischt so glimm. / Wenn s d'Herra hau weand, muaß as sai, /si
geand koi Dingle noah; / dar Baur muaß d'ra, schla s Weatter d'rai, / dar G'walt
ischt dänischt doah.
Ol d'Graba aufdua, wenn as kalt, / wenn Duft und Eis im Baat. /Schtoi und Sandfüahra,
dees ischt halt / a baise schlimme Aat. / Dar Herr lacht braf, guggt raus zum Schloß, / as
ischt am itt viel drum, / wenn d'Ocksa schau, wenn d'Gäul und d'Roß /seand halba hi und
krumm.
4 Volker Himmelein: Die Brautfahrt der Marie-Antoinette, in: Vorderösterreich nur die Schwanzfeder des
Kaiseradlers? (Vernissage. Die Zeitschrift zur Ausstellung 1/1999), S. 40.
5 Sebastian Sailers Schriften im schwäbischen Dialekte. Gesammelt und mit einer Vorrede versehen von Sixt
Bachmann [1819], neu hg. von Hans Albrecht Oehler, Weißenhorn 2000, S. 226f.
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