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Dauerkonflikte waren die Versuche der Bauern, das Kloster bei den Abgaben auszutricksen,
sowie Auseinandersetzungen um den Besitz und die Nutzung des Waldes im Rohr: „Der Vogt
der Bauern im Rohr kommt zu mir und bittet im Namen der Gemeinde darum, ich möge den
Auftrag rückgängig machen, fünf Bäume in ihrem Gemeindewald fallen und zu Brettern für den
Gebrauch des Klosters zersägen zu lassen, da schon im Frühjahr auf meinen Befehl mehrere
gefällt worden seien. Ich habe geantwortet, dass ich nach dem besten Rechte verfahre, wie aus
dem Rotulus, aus dem Dingrodel7 hervorgeht, welcher dem Kloster die Vollmacht erteilt, Holz
in den Wäldern vom Rohr, Eschbach und Ibental zu fallen, welches für die Gebäude, die Herde
oder die Öfen gebraucht wird" (31.12.1750). - „Heute habe ich diejenigen Untertanen zusammengerufen
, welche den Zehnten der Erdäpfel nicht vollständig abgeliefert haben; ich habe
ihnen den Betrug vorgeworfen und einen, der dreißig Scheffel versteckt hatte, habe ich bestraft.
Alle aber habe ich dazu verurteilt, die zurückgehaltenen Zehnten zu vervollständigen. [...] Den
Leuten vom Rohr habe ich ihre Hartnäckigkeit vorgeworfen, mit der sie immer eigenmächtig
über den Wald verfügen wollen und das überzählige Holz zu fordern und zu fällen pflegen! [...]
Den Haldenbauern habe ich zu einer achttägigen Haft bei Wasser und Brot [...] verurteilt, weil
er durch wiederholtes Fluchen den Namen des Herrn entweiht hat und wegen der lügnerischen
Behauptung, der Rohrwald gehöre den Bauern und - gegen das klare Recht - nicht dem Kloster"
(29.11.1765).
Dieser Tagebucheintrag über den Schwindel beim Abliefern des Zehnten der Erdäpfel erlaubt
einen kleinen kulturgeschichtlichen Exkurs über den Kartoffelanbau in der Region: Abt Steyrer
schreibt nämlich in seinem lateinischen Text, die Untertanen hätten decimas cyclaminum nicht
vollständig abgeliefert; daneben steht auf deutsch die Randnotiz: Erdäpfel oder Grundbirnen.
,Cyclamen' ist jedoch der lateinische Name für das Alpenveilchen, das wegen seiner knollenförmigen
Wurzel schon in mittelalterlichen Pflanzen- und Kräuterbüchern ,Erdapfel' genannt
wurde.8 In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde dieser Name ,Erdapfel' auf die neu
angebaute Kartoffel übertragen. Ganz offensichtlich war die Kartoffel im Gebiet von St. Peter
noch eine solche Neuheit, dass der Abt ihre botanische Bezeichnung , Solanum tuberosum' nicht
kannte und irrtümlich den Begriff ,cyclamen' von dem ,Erdapfel' Alpenveilchen auf den
,Erdapfel' Kartoffel übertrug.9
Wie aufgeheizt die Stimmung zwischen den Bauern und dem Stift war, zeigt eine Reihe von
Tagebucheintragungen vom Januar bis März 1761. Der Abt hält sich einige Tage in Freiburg auf,
wo er Rechtsbeistand gegen seine aufsässigen Bauern holt: „Um drei Uhr nachmittags habe ich
mit P. Großkeller und dem Herrn Amtmann den Herrn Steuerkommissar von Scheiner aufgesucht
, wo ich Beweismittel gegen unsere Untertanen vorgetragen habe, welche das Kloster in
vielen Punkten auf lügnerische Weise anklagen und seine Rechte angreifen." - Am nächsten
Tag: „Um neun Uhr bin ich mit den Gestrigen zum Herrn Kommissar gegangen und habe die
Verteidigung des Klosters gegen unsere Bauern vervollständigt, mit welcher der Herr
Kommissar einverstanden zu sein scheint, der unsere Untertanen als eindeutig leichtfertige und
unverschämte Streithammel bezeichnet. Außerdem habe ich abermals die schuldige Genugtuung
gefordert" (29. und 30.1.1761). - Wieder später: „Am Morgen habe ich Herrn Kommissar
von Scheiner besucht, welcher mir versichert, er habe den Abgeordneten unserer Bauern befohlen
, dass sie wegen der ungerechtfertigten Anklagen und Vorwürfe gegen das Kloster mich um
Verzeihung bitten und Besserung versprechen müssten, was sie freilich wegen ihrer angeborenen
7 Benjamin Gehring: Der „Große Dingrodel" von St. Peter auf dem Schwarzwald von 1458, in: Schau-ins-Land
125 (2006), S. 25-36.
8 Leonhart Fuchs: Das Kräuterbuch von 1543, Nachdruck Köln 2001, Cap. CLXXI: „Erdtapffel".
9 Heinrich Marzell: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen, Bd. 4, hg. von Heinz Paul, Stuttgart/Wiesbaden
1979; fotomechanischer Nachdruck Köln 2000, Sp. 369-386; Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches
Wörterbuch, München 1984, Bd. 3, Sp. 745 und Bd. 11, Sp. 244f.
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