Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
131.2012
Seite: 112
(PDF, 43 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2012/0114
Eremitengewand. Sein Vorgänger war zugleich Gastwirt und verheiratet, wurde aber trotzdem
der Lindenbruder genannt und seine Frau die Lindenbruderin" (11.2.1771).

Wie heute in St. Peter das ,Plattenweible' (1854-1936) - mit Männerhut und Tabakspfeife auf
Postkarten porträtiert - als Dorforiginal bekannt ist,11 machte 250 Jahre früher ein anderes, allerdings
recht rabiates ,Weible' von sich reden: „Zur Zeit wird bei uns eine gewisse Witwe, das
Schlag-Weible genannt, im Kerker festgehalten, eine überaus vorwitzige und unruhige Frau. Als
ihr Häuschen vor kurzem wegen schwerer Schulden verkauft wurde und ihr selbst Wohnung und
angemessener Unterhalt überlassen wurde, zündete sie aus lauter Zorn das Häuschen an, der
Brand konnte jedoch rechtzeitig gelöscht werden. Heute morgen erwartet sie nun den Urteilsspruch
und den Lohn für ihre Tat" (30.11.1765).

Ein Familiendrama mit einem auch in unserer heutigen Gesellschaft aktuellen Thema wurde
von Steyrer mit besonderer Anteilnahme und Empörung verfolgt - es ging um den sexuellen
Missbrauch von Kindern und Jugendlichen: „Heute morgen wurde Joseph Reiner, der mit seinen
drei Stieftöchtern inzestuösen Umgang gehabt haben soll, in den Kerker eingeliefert. Eine
ist zwanzig, die zweite sechzehn, die dritte vierzehn Jahre alt, welch letztere (oh welch widernatürliche
Freveltat!) schwanger sein soll" (28.2.1765). „Heute morgen fällte der Herr
Amtmann über Joseph Reiner [...] wegen wiederholten Inzests das Urteil, durch welches angeordnet
wird, dass er mit einer am Halse hängenden Tafel, auf der sein Verbrechen beschrieben
ist, und mit einer brennenden schwarzen Kerze in der Hand an drei Sonntagen vor der Kirche
stehen muss; außerdem muss er drei Monate lang mit Fußfesseln gefesselt öffentliche Arbeiten
verrichten. Seine vierzehnjährige Stieftochter, die bei der Verkündung dieses Urteils anwesend
sein musste, nachdem sie das Vergehen zu erdulden hatte, erklärte, schwanger zu sein, was der
Herr Amtmann bislang nicht glauben wollte, weshalb die Ausfuhrung des Urteils verschoben
wurde" (26.4.1761). Nachdem ein hinzugezogener Arzt festgestellt hatte, dass das vierzehnjährige
Mädchen doch nicht schwanger war, wurde das Urteil rechtskräftig (28.4.1761).

Tatort St. Peter: Verbrechen und Rechtsprechung

Auch in anderen Fällen zeigt sich, dass man bei Strafen für Gesetzesverstöße alles andere als
zimperlich war: „Heute wurde von zwei jugendlichen Untertanen, die wegen Getreidediebstahls
schon einige Monate im Gefängnis saßen, der eine vom Stockmeister zum Halsblock
geführt und dort mit dem Knüppel geprügelt und für zehn Jahre aus unserem Gebiet verwiesen,
der andere ins Zuchthaus nach Breisach gebracht. Dort ist schon seit zwei Monaten ein anderer
Jugendlicher eingesperrt [...], der Sohn des Bauernvogts im Seelgut" (1.12.1769).

Manche Vorkommnisse hätten Stoff für eine Fernsehserie ,Tatort: St. Peter' geben können. So
kursierten einmal im Dorf Gerüchte über einen angeblichen Mord. Der Abt erzählt von einem
Bauern im unteren Ibental: „Der Bauer [...] wird der Gallis Michele [Gallihof in Ibental]
genannt oder vielmehr Michael Mayer, der im darauffolgenden Jahr - wie es das Gerücht
behauptet - von seiner Frau durch Gift aus den Lebenden entfernt wurde" (23.5.1771). Das
Gerücht erweist sich tatsächlich als wahr. Auf seinem Rückweg von Freiburg begegnet dem Abt
im nächsten Jahr „eine etwa dreißigjährige Frau aus dem unteren Ibental, die gefangen nach
Freiburg geführt wird, weil auf sie der schwere Verdacht gefallen war, ihren Mann vor kurzem
mit Gift, das sie in den Kuchen gebacken hatte, aus den Lebenden herausbefördert zu haben.
Dieser wurde hier der Gallis Michele genannt, er wurde von unserem P. Berthold mit allen
Sterbesakramenten versehen. Es heißt, dass sein Leichnam nach neun Tagen ausgegraben und
von den Chirurgen untersucht worden ist" (3.4.1772).

11 Fritz Hockenjos: Wäldergeschichten, Freiburg 1980, S. 33-37.

112


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2012/0114