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im Kloster oder im Dorf mit größter Angst erfüllten. „Letzte Nacht hat gegen 3 Uhr ein
Erdbeben unser Kloster leicht erschüttert, und zwar so, dass in meinem Schlafgemach die
Fenster und die Bilder an den Wänden bewegt wurden. Dasselbe Beben ist auch in Freiburg und
andernorts im Breisgau eingetreten. GOTT möge uns verschonen!" (9.12.1755). - „Etwa um
neun Uhr vormittags hat ein Erdbeben unsere ganze Kirche samt dem Kloster für kurze Zeit
heftig erschüttert, zum großen Schrecken aller, aber GOTT sei Lob! ohne jeden Schaden"
(11.8.1771). - „Um elf Uhr vormittags hat ein heftiges Beben die Erde erschüttert. Andere
sagen, sie hätten dieses Beben, jedoch ein leichteres, schon um zehn Uhr gehört. Sie behaupten
auch, sie hätten gestern abend gegen acht Uhr etwas wie ein Feuer durch die Luft fliegen
sehen. GOTT sei uns gnädig!" (31.1.1772).
Die Furcht vor Erdbeben steigerte sich damals bei den Menschen in St. Peter offensichtlich
zu Weltuntergangsängsten; denn das durch die Luft fliegende Feuer, das manche gesehen haben
wollten, konnte als Vorzeichen großen Unheils, ja des nahen Weltendes gedeutet werden. Dies
ist vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund zu sehen und zu verstehen: 1755 ereignete sich in
Portugal ein furchtbares Erdbeben, bei dem die Stadt Lissabon zu zwei Dritteln zerstört wurde
und über 30.000 Einwohner ihr Leben verloren. Auf diese Katastrophe, die in der ganzen damaligen
Welt Entsetzen hervorrief, geht Abt Steyrer dreimal ausführlich ein (1.11. und 5.12.1755
sowie 9.1.1756). Er zitiert dabei ein lateinisches Gedicht, das „irgendjemand über den
Untergang dieser Stadt geschrieben hat: Non Lis-bona, sed Lis-mala / Lis cum elementis vana;
/Meta litis pessima. / Fuit, heu! non est Lisbona / Portugalliae Corona, / Regiarum optima. In
einem Wortspiel wird hier ,Lisbona', der lateinische Name Lissabons, mit neuem Sinn in seine
Bestandteile ,Lis-bona' zerlegt: lat. ,lis, litis' f. = der Streit; ,bonus, -a, -um' = gut; ,malus, -a,
-um' = schlecht. Also: Kein guter Streit, sondern ein schlechter Streit / ein vergeblicher Streit
mit den Elementen; / Schlimmste Wendung des Streits. / Es war, wehe! und ist nicht mehr
Lissabon / Portugals Krone, / die beste der königlichen Residenzen. Nach seinen damaligen
Informationen glaubte der Abt sogar, dass über 100.000 Menschen in Lissabon unter den Ruinen
begraben wurden. Kein Wunder also, dass auch in St. Peter der Schock tief saß und jedes
Erdbeben in der Region schlimmste Ängste auslöste.
Die Geschichte von der feurigen Erscheinung, die manche Leute vor dem Erdbeben angeblich
durch die Luft fliegen sahen, leitet zu einem letzten Thema über: dem Gespensterglauben
im Dorf, der im 18. Jahrhundert nicht nur das einfache Volk, sondern auch die Geistlichkeit
beherrschte. In Abt Steyrers Tagebuch finden sich hierfür mehrere Beispiele.
Gespensterstunde: Spukgeschichten und Sagen
Beim Brand des Muckenhofs 1760 (s.o.) wurde Abt Steyrers Bemerkung zitiert, dass „eben dieser
Gutshof im gesamten abgelaufenen Jahr und bis heute auf jammervolle Art und Weise von
Gespenstern angegriffen und gequält worden war". Auf diese Vorfälle des Jahres 1759 geht er
im Tagebuch ausführlich ein und gibt mit seinen Berichten eine deutliche Vorstellung von dem
Gespensterglauben der Zeit (Abb. 5): „Um vier Uhr nachmittags werden P. Petrus und P.
Großkeller Gregorius wie schon einigemale zuvor in den Gutshof Muckenbach gerufen, welcher
bei Tag und Nacht von Geistern, Gespenstern oder Unholden beunruhigt wird. Häufig entsteht
darin Lärm, es werden Steine in den Zimmern umhergeworfen, und niemand ist zu sehen.
Brennende Holzscheite werden von unsichtbarer Hand aus dem Ofen gerissen und gegen die
Danebenstehenden geworfen usw." (25.5.1759). - „Die Gespenster machen wieder den Gutshof
Muckenbach unsicher" (Mai 1759). - „Die Gespenster lärmen in noch größerer Zahl im Gutshof
Muckenbach und erschrecken die Bewohner, besonders die kleinen Kinder, trotz aller erteilten
priesterlichen Segnungen und heiligen Handlungen. Heute erteilte P. Großkeller dem
Gutshof, nachdem das Ehrwürdige Sakrament bereits dorthin getragen wurde, seinen Segen"
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