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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
131.2012
Seite: 125
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2012/0127
Kunst.10Der schwarze Schauspieler war nicht mehr der unverfälschte Naturmensch', sondern
bereits der zivilisierte Naturmensch', der sich jedoch aufgrund seiner ,Rasse' vom Europäer
' unterscheide.

Dem Massenphänomen ,Völkerschau' lag weder eine abstrakte Theorie noch ein Konzept
im eigentlichen Sinne zugrunde. Insofern fielen unter diesen Begriff recht unterschiedliche
Veranstaltungsformen, die sich in ihrer Vielfalt nicht eindeutig von anderen Schaustellungen
abgrenzen lassen. Eine Zuordnung ist jedoch „in Beziehung zu anderen Genres oder im
Vergleich von Beispielen" möglich.11 Hierbei spielt der kulturgeschichtliche Kontext des bürgerlichen
Zeitalters und des Kolonialismus eine besondere Rolle.

Der den Völkerschauen inhärente Anspruch auf Authentizität ist eines ihrer zentralen
Merkmale und diente sowohl in ihrer Zeit als auch aus heutiger Perspektive zu ihrer Abgrenzung
von anderen Formen der Zurschaustellungen von People of Color. Der Echtheitsanspruch
und der behauptete edukative Charakter waren Teil einer kommerziellen
Strategie entsprechend der zeitgenössischen Stimmungslage. Die politischen, sozialen und
soziologischen Umbrüche im bürgerlichen Zeitalter führten auch zu Veränderungen im
Unterhaltungsgewerbe.12 Das wachsende Bürgertum erwartete nicht mehr länger nur beschwingte
heitere Unterhaltung, sondern zugleich Vermittlung von Wissen. In diesem Sinn
boten die Völkerschauen ein gut konsumierbares Gemisch aus „Unterhaltung, Anregung und
Belehrung".13 Der Vergnügungsaspekt der Völkerschauen war hierbei ein „diffuser, man kann
sagen bürgerlicher' in seiner Gestaltung". Neben dem Gefühl des Staunens und der Neugier
beließen sie den Besuchern Raum für die von ihnen bevorzugte Emotionslage, sodass sie
ihren voyeuristischen Blick im Geiste der bürgerlichen Grundstimmung und der bürgerlichen
Normen als eine „wissenschaftliche Tätigkeit" verstehen konnten.14 In diesem Sinne wurde
z.B. der Messeberichterstatter des „Freiburger Boten" im ,Senegalesen-Dorf zum Hobbyethnologen
und -anthropologen, der das Kostüm eines Darstellers als kulturgeschichtlich, die
Kopfform der Darsteller allein schon als interessant klassifizierte und die dargebotene Gebetsszene
als korrekt ausgeführte Zeremonie beurteilte.15 Auch professionelle Ethnologen und vor
allem Anthropologen besuchten für ihre ,Forschung' die Völkerschauen oder ließen deren
Darsteller direkt an die Universitäten kommen. Veranstalter und Wissenschaftler standen in
regem Austausch, zumal beide Seiten davon profitierten. Den Gelehrten boten sie , Anschauungs-

10 Freiburger Zeitung vom 21.09.1852, Tagesausgabe, S. 3. Ira Aldridge, der sich auf einer Europatournee befand,
war vom 17. bis 19. September 1852 im Freiburger Theater in der Rolle des Othello sowie im Anschluss in der
Rolle des Mungo in dem Stück „The Padlock" zu sehen.

11 Wolter (wie Anm. 1), S. 94.

12 Diese setzte bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Von nun an traten auch in Freiburg „verstärkt
Menagerien und Schaubuden auf, die mehr Abwechslung und Unterhaltung auf die bisher zum größten Teil von
Händlern besuchte Messe brachten", Peter Lepold: Freiburger Messe: ... ein Bummel durch ihre Geschichte,
Freiburg 1984, S. 20. Auch im Zirkusgewerbe kam es zu grundlegenden Veränderungen. Ernst Jacob Renz (1815-
1892) vergrößerte das im Zirkus gezeigte Repertoire - u.a. auch um die Schaustellung von People of Color - und
wurde dadurch prägend für die weitere Entwicklung des Zirkuswesens, Ernst Günther/Dietmar Winkler:
Zirkusgeschichte. Ein Abriß der Geschichte des deutschen Zirkus, Berlin 1986, S. 59-77. Einen wichtigen Schritt
markiert die 1871 nach der Reichsgründung erlassene und reichsweit gültige Wandergewerbeverordnung, die die
Zahl der reisenden Schaustellerbetriebe ansteigen ließ und größer angelegte, überregionale Schauen erst möglich
machte, Dreesbach (wie Anm. 2), S. 42.

13 Hagenbeck (wie Anm. 9), S. 79.

14 Wolter (wie Anm. 1), S. 102. Diese Grundstimmung wurde auch in anderen, zu dieser Zeit populären
Unterhaltungseinrichtungen bedient. Besonders beliebt und mehrfach zu Gast auf der Freiburger Messe waren
z.B. „Bläser" mit seinem „Kinematograph Edison" und „Neumanns anatomisches Museum". So gab es bei
„Bläser" Szenen aus dem Leben und aus der Politik sowie Momente aus den chinesischen Wirren zu sehen. Auch
„Neumann" bot Gelegenheit unterhalten und belehrt zu werden: Es gab u.a. Plastiken der verschiedene[n]
Menschenrassen und [a]lle halbe Stunde wird ein menschlicher Körper zerlegt und die nöthigen Erklärungen
werden dazu gegeben, Freiburger Zeitung vom 26.10.1900, Tagesausgabe, S. 2.

15 Freiburger Bote vom 28.10.1910, 3. Blatt, S. 1.

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