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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
131.2012
Seite: 131
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2012/0133
Die Zusammenstellung der Völkerschau steht in direktem Zusammenhang mit deren
Inszenierung. Durch das ,singhalesische Zwergenpaar' wurde die ,Singhalesen-Schau' um ein
Programmelement der Freak Show erweitert, bei dem die körperliche Andersartigkeit dieser
,Exoten' im Mittelpunkt stand. Gemäß dem Authentizitätsanspruch, „wahrheitsgetreue Abbilder
des Lebens der jeweiligen Ausgestellten" dem Publikum zu präsentieren, boten die
Völkerschauen vielfach Attraktionen zweierlei Art. Es gab die eigentlichen Vorstellungen, in
denen Tänze, Musik, Gesang, Kampfszenen und sonstige ,typische' Vorführungselemente zu
sehen waren. Zudem sollte das ,tägliche Leben' durch die Besichtigung der ,landestypischen'
Behausungen, durch den Blick ins Private, sichtbar gemacht werden. „Beide Aspekte, tägliches
Leben' und Vorstellungen, waren in den einzelnen Völkerschauen unterschiedlich gewichtet
, mal bildete das eine, mal das andere die Hauptattraktion. Man muß sie wohl beide als Inszenierung
betrachten."37 Während die Unterkunft bei den beiden ,Congo-Neger-Schauen' von
1885 und 1894 keine Erwähnung findet, bildeten sie bei der ,Amazonen-Schau' ein zentrales
Element. Täglich von 9 bis 19 Uhr konnten die Darsteller im afrikanischen Lager besichtigt
werden. Dort bot sich dem Publikum die Möglichkeit, deren Sitten und Gebräuche, Familien-
Leben, afrikanische Küche, Kindererziehung, Gebete u.s.w. kennen zu lernen. Die eigentlichen
Vorstellungen waren abends um 20.30 Uhr. Nachmittags um 16 Uhr fanden die Familienvorstellungen
statt.38 Im , Senegalesen-Dorf fielen hingegen die beiden Attraktionen ,tägliches
Leben' und Vorstellungen stärker zusammen. Bei dieser Völkerschau gab es keine festen Vorführungszeiten
, sondern die Besucher gingen durch das ,Dorf, bestaunten die , Szenen des Alltags
' und an verschiedenen Sehenswürdigkeiten' des ,Dorfes' wurden regelmäßig kleine Vorführungen
gegeben. Die Darsteller waren bei der Ausübung ihrer Berufe als Schuhmacher,
Schneider, Holzarbeiter, Lederarbeiter, Weber, Goldschmied und Silberarbeiter zu beobachten
?9 Neben den Einblicken in die Berufswelt gab es auch Blicke in den Bereich des Privaten:
In der „ Küche" kauern einige schwarze Weiber mit kleinen Kinderchen um die Kesselfeuer,
kochen Mais und weißen Reis, und wenn die Kinderchen unruhig werden oder frieren, werden
sie huckepack in Tücher gewickelt und auf den Rücken genommen?0 Neben den Jandestypischen
Behausungen' umfasste das ,Eingeborenendorf', das eine ansehnliche Größe hatte, eine
Moschee, eine Schule [und] eine Tanzhalle.41 Hier fanden besondere Vorführungen statt. So
ertönte regelmäßig aus der Moschee ein eigenartiger Ruf, der Vorbeter hat die Gläubigen um
sich versammelt. Auf den Teppich in der Moschee haben sie sich niedergelassen, mit seltsamen
Gebärden rufen sie „Allah il Allah ", (Siehe Karl May) haben sich niedergekniet und küssen den
Boden, stehen wieder auf und beugen sich abermals?2 Eine besondere Inszenierung von heimatlichen
Sitten und Gebräuchen boten die ,Congo-Neger aus Ostafrika' von 1894. Bei dieser
Schau sollten die Darsteller, die, wie besonders hervorgehoben wurde, sich jahrelang in der
Sklaverei befanden, auf glühenden Eisenplatten tanzen, glühende Eisenstangen durchbeißen,
sowie ihre Körpertheile mit glühendem Eisen bestreichen. Da dies für das zeitgenössische
Publikum, dem allerhand Jahrmarktsschwindel bekannt war, möglicherweise so unglaubwürdig
wie aus heutiger Sicht grausam klang, boten die Veranstalter 500 Mark demjenigen, der herausgeht
und sagt: „Es war nicht, wie die Annoncen lauten. "43 Eine derartige Aufführung dürfte
sich wohl zumindest im Grenzbereich des Genres ,Völkerschau' bewegt haben.

Um die Glaubwürdigkeit des Gezeigten zu erhöhen, war die Ausstattung der Völkerschau-
gruppen ein wichtiges Element. Die ,typische' Kleidung unterstrich die ,Exotik' ihrer Träger,

Thode-Arora (wie Anm. 8), S. 104.

38 Freiburger Zeitung vom 25.10.1900, Tagesausgabe, S. 3.

39 Breisgauer Zeitung vom 21.10.1910, Tagesausgabe, S. 2.

40 Freiburger Bote vom 28.10.1910, 3. Blatt, S. 1.

41 Breisgauer Zeitung vom 21.10.1910, Tagesausgabe, S. 2.

42 Freiburger Bote vom 28.10.1910, 3. Blatt, S. 1.

43 Freiburger Zeitung vom 21.10.1894, 2. Blatt, S. 3.

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