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zur Stadt verständlich. Dies zeigt sich in seiner Autobiographie, in der er Freiburg als ein aufstrebendes
Zentrum beschrieb, wo er „20 Jahre früher schon festen Fuß zu fassen gehofft" hatte.
Das neue Gesicht der Stadt machte diese für eine dauerhafte Wohnsitznahme sowohl für
Professoren, die jetzt gerne ihr ganzes Leben in der Stadt verbringen wollten, als auch für
Studenten, die sich - anders als in der Vergangenheit - „eine [ganze] Reihe Semester" in
Freiburg aufhielten, attraktiv.8
Zunächst stand Prof. Finke vor der Aufgabe, für sich, seine Frau Zoe, mit der er seit 1892
verheiratet war, und seine drei Kinder eine geeignete Wohnung zu finden.9 Dies gelang in einem
dem Bauunternehmer „Geis u. Bauer" gehörenden zweistöckigen Haus in der Konradstr. 35 im
Stadtteil Wiehre, der seit dem Ende des 19. Jahrhunderts für die Angehörigen der Freiburger
Oberschicht zu einem beliebten Wohnort wurde.10 Somit erweist die Wahl gerade dieses
Stadtviertels indirekt den neu erworbenen Status und die finanziellen Möglichkeiten des ehemaligen
Privatdozenten Finke. Ein weiterer Beweis für seine Absicht, dauerhaft in Freiburg zu
bleiben, war 1903 der Kauf eines dreistöckigen Hauses in der Dreikönigstr. 32, das er bereits
seit Oktober 1901 bewohnte (Abb. 2).11
Da sich eine private Korrespondenz nicht erhalten hat, muss auf eine detaillierte Darstellung
des „Privatmannes" Finke bedauerlicherweise verzichtet werden. Lediglich aus Aufzeichnungen
Dritter lassen sich Rückschlüsse ziehen.12 Sein Schüler Hermann Heimpel, der von
1924 an vier Jahre lang bei der Familie Finke in der Dreikönigstraße wegen der Mitarbeit an
den „Acta Concilii Constanciensis" wohnte und dabei auch als „Mundschenk" bei Finkes
Einladungen gefragt war, gibt hierzu Auskunft. Der in München geborene Heimpel beschrieb
den angesehenen Historiker als einen bescheidenen Mann, der sich auf seine Ehefrau Zoe, die
sich ihren Frohmut trotz eines im Sommer 1911 erlittenen Schlaganfalls mit nachfolgenden
Lähmungen in Gesicht und Beinen sowie des Verlusts der beiden Söhne Ludwig und Carl im
Ersten Weltkrieg stets bewahrt hatte, verlassen und stützen konnte.13 Die Umgänglichkeit
Finkes im Privaten zeigt sich auch in der von Heimpel wiedergegebenen Anekdote, wonach bei
einem gemeinsamen Essen, als er den sechsten Kartoffelpuffer aß, der Gelehrte bemerkte:
Meine Söhne aßen dreizehn!14
Heinrich Finke hatte am 25. Januar 1900 seinen ersten großen Auftritt vor der akademischen
Gemeinde der Universität Freiburg. In seiner Antrittsvorlesung über „Das ausgehende Mittelalter
. Ergebnisse und Lücken der Vorreformationsforschung"15 gab er Antwort auf die Frage,
wie es im Laufe des 16. Jahrhunderts möglich wurde, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung
Europas innerhalb weniger Jahre ihre bisherige Überzeugung gegen eine stark geänderte religiöse
Weltanschauung tauschte. Diese Frage sollte nicht mehr vor dem Horizont der konfessionell
-politischen Zwistigkeiten beantwortet werden, sondern auf der Basis einer streng quellen-
8 Finke (wie Anm. 6), S. 112f.
9 Odilo Engels: Finke (Johannes) Heinrich, in: Badische Biographien NF, Bd. 2, hg. von Bernd Ottnad, Stuttgart
1987, S. 87-89.
10 Adreßbuch der Stadt Freiburg im Breisgau für das Jahr 1900, S. 162 und 256; 1000 Jahre Wiehre. Ein Almanach.
1008-2008, hg. von den Bürgervereinen der Wiehre, Stuttgart 2007, S. 132-181 und 186-192; Kalchthaler (wie
Anm. 2).
11 Über Finke als Mieter siehe Adreßbuch der Stadt Freiburg im Breisgau für das Jahr 1902, S. 89 und 250; über
Finke als Hauseigentümer siehe ebd., Ausgabe 1904, S. 94 und 273.
12 Konstantin Hoffmann: Die Universität Freiburg 1918/19 unter dem (Pro-)Rektorat Heinrich Finkes, Dissertation
, Freiburg 2011, S. 7, Anm. 23.
13 Hermann Heimpel: Heinrich Finke in der Erinnerung, in: Aspekte. Alte und neue Texte, hg. von Sabine Krüger,
Göttingen 1995, S. 186-201, hier S. 198f. (zuerst in: Historische Zeitschrift 160 [1939], S. 534-545).
14 Ebd., S. 199.
15 Das ausgehende Mittelalter. Ergebnisse und Lücken der Vorreformationsforschung, Antrittsrede, gehalten von
Heinrich Finke in der Aula der Universität Freiburg i.Br. am 25. Januar 1900 (Sonderdruck aus der Beilage zur
„Allgemeinen Zeitung" Nr. 32 und 33 vom 8. und 9. Februar 1900), München 1900, S. 21.
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