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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
131.2012
Seite: 178
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Delegiertenstimmen, wie, so die ironische Anmerkung eines Journalisten, der Kreisvorsitzende
Gernot Erler bis zur Pressekonferenz am anderen Morgen ausgerechnet hatte.12

Mit Böhme schickten die Freiburger Sozialdemokraten ein prominentes Parteimitglied „in
den Ring", das bereits auf eine beachtliche politische Karriere zurückblicken konnte.13 Seit 1972
Bundestagsabgeordneter berief ihn im Jahre 1978 der Bundespräsident auf Vorschlag von
Bundeskanzler Schmidt zum Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium der
Finanzen. Der Logik des parlamentarischen Systems gemäß verband der Politiker in dieser
Amterkonstellation legislative Kompetenzen mit exekutiven Aufgaben, in diesem Fall die
Zuständigkeit für die Steuerpolitik und die Vermögensbildung. Böhmes Aufgabe war „die
Zuarbeitung für den Minister, seine Vertretung in seiner Abwesenheit und vor allem die
Vermittlung der Politik in die Fraktionen der Koalition", d.h. SPD und FDP.14

Mit dem Entschluss, sich um das Amt des Oberbürgermeisters in Freiburg zu bewerben, entpuppte
sich Böhme - in einem politikwissenschaftlichen Verständnis - als „Umsteiger", der eine
„aufstiegsorientierte Richtungsänderung" vorzunehmen gewillt war, also nach einer höheren
Position „auf einem anderen Sektor" strebte.15 Das Projekt „Umstieg" packte der Bonner
Staatssekretär geschickt an. Für den Anfang des Jahres 1982 teilte er den Verzicht auf sein Regierungsamt
und damit die Beschränkung auf die - vorläufige - Ausübung des Parlamentsmandats
bis zur Wahl in Freiburg mit. Mit diesem Schritt vermied er, im Unterschied zu manchem
anderen Politiker, einen „Fehler", der Zweifel an der eigenen Glaubwürdigkeit wecken konnte:
Nämlich im Fall einer Niederlage sich die Möglichkeit der Rückkehr zur alten einflussreichen
Position offen zu halten. Statt dessen vermochte er - wohl mit Erfolg - den Eindruck zu vermitteln
, die Tätigkeit als Oberbürgermeister werde für ihn eine Art Lebensaufgabe nach dem
„Abstecher" in die Bundespolitik darstellen.16

Wahlkampf

Nach dem Urteil des ehemaligen Freiburger Rechtsprofessors und Richters am Bundesverfassungsgericht
Konrad Hesse sind Wahlen Teil des „Kernbestands der demokratischen Ord-

12 FJS: SPD wählt Rolf Böhme zum OB-Kandidaten, in: Stuttgarter Zeitung vom 14.10.1981. Zu Gernot Erler, 1977
bis 1987 Kreisvorsitzender der SPD Freiburg, seit 1987 Mitglied des Bundestags, von 2005 bis 2009 Staatsminister
im Auswärtigen Amt siehe: Vierhaus/Herbst (wie Anm. 7), S. 189f.; Sibylle Ahlers: Nachdenklicher
Kanufahrer: Gernot Erler, in: Das Parlament 13/14 (2011), S. 2.

13 Die wichtigsten Lebensdaten Rolf Böhmes in: Vierhaus/Herbst (wie Anm. 7), S. 82f. Eine Würdigung der
Persönlichkeit und des Politikers durch Uwe Mauch: Die Stadt als Lebensaufgabe. Der frühere Freiburger
Oberbürgermeister Rolf Böhme feiert heute seinen 75. Geburtstag, in: BZ vom 6.8.2009.

14 Rolf Böhme: Geschichten vom Amt, Freiburg 2009, S. 51. Rolf Böhme zeigte sich immer beeindruckt von
Schmidts sehr exakten und eindringlichen Fragen nach den Zusammenhängen und den Wirkungen der von uns im
BMF [Bundesministerium der Finanzen] vorbereiteten Steuer-Gesetze. Über die einzelnen Gesetzesfragen hinaus
erwies sich der Bundeskanzler als kompetenter Kenner der steuerlichen und weiteren finanziellen Fragen, zu
denen er souverän seine Richtlinienkompetenz handhabte, Schreiben vom 24.4.2012.

15 Julia Hefty: Die Parlamentarischen Staatssekretäre im Bund. Eine Entwicklungsgeschichte seit 1967, Düsseldorf
2005, S. 247.

16 Peter J. Velte: Nach Freiburg ohne Rückfahrkarte. Rolf Böhme zieht nicht als Staatssekretär in den Oberbürgermeisterwahlkampf
, in: BZ vom 10.10.1981; „Vielleicht Mehrheiten, aber kein Konsens", in: Der Spiegel, Nr.
16/1982, S.18; Böhme (wie Anm. 14), S.61f. Dass der frühzeitige Verzicht auf das Amt des Staatssekretärs Böhmes
Wahlchancen eher verbesserte, lässt sich aus einem „Gegenbeispiel" ableiten: Im Jahr 2012 vermied der CDU-
Spitzenkandidat vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, Bundesumweltminister Norbert Röttgen, eine klare
Aussage darüber, ob er auch im Fall einer Niederlage von der Bundespolitik in die Landespolitik wechseln und in
Düsseldorf die Funktion des Oppositionsführers übernehmen werde. Offensichtlich war dies ein Grund für die
Entlassung aus dem Bundeskabinett. Hierzu: Ulrich Schmidt: Merkel entledigt sich Röttgens. Der einstige Favorit
der Kanzlerin verspielt innerhalb weniger Wochen seine Karriere, in: Neue Zürcher Zeitung vom 17.5.2012.

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