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riert von dem bekannten SWF-Journalisten Pit Klein, musikalisch u.a. begleitet von „Fräulein
Mayers Hinterhausjazzern" und dennoch nicht ohne Konkurrenz, da das politische Interesse der
Besucher angesichts der in einem Nebenzimmer laufenden Fußballübertragung [von der
Weltmeisterschaft in Spanien] auf eine harte Probe gestellt war22
Prominente Unterstützer des Sozialdemokraten reisten auch von auswärts an, so z.B. neben
dem in der breiteren Öffentlichkeit noch weniger bekannten Bundesvorsitzenden der
Jungsozialisten und nachmaligen Bundeskanzler - Gerhard Schröder der Fernseh-Talkmaster
Alfred Biolek sowie der Schriftsteller Günter Grass. Der Literaturnobelpreisträger des Jahres
1999 pflegte zuvor schon längere Zeit eine Bekanntschaft mit Rolf Böhme - und außerdem verbanden
ihn mit der badischen Region und dem Breisgau u.a. die Fußballkünste des Bundesligisten
SC Freiburg „mit seinem unbekümmerten (gelegentlich zu unbekümmerten) Spiel".23
Um - vornehmlich - politische Prominenz war auch der CDU-Kandidat bemüht. Für ihn
rührte z.B. Walter Wallmann die Werbetrommel, der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt/M.
(anschließend im Jahre 1986, nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, erster Bundesminister
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, bevor er im Jahre 1987 zum Ministerpräsidenten
des Landes Hessen gewählt wurde). Wohl kaum war an eine Einladung des CDU-
Vorsitzenden Helmut Kohl zu denken, der sich und seine Partei in Bonn auf den Regierungswechsel
vorbereitete. Und überhaupt scheint von Ungern-Sternberg - zumindest einige Zeit -
Auftritten bekannter Parteifreunde aus Bund und Land reserviert gegenüber gestanden zu haben
z.B. mit der Begründung, beide Parteien hätten eine (Art) Vereinbarung getroffen, in erster
Linie einen lokalen Wahlkampf zu fuhren - was jedoch wiederum von der SPD-Seite bestritten
wurde. Spätestens in der letzten Woche vor der Wahl sollte eine etwaige Beschränkung dieser
Art keine Rolle mehr spielen.24
Das Aufgebot an „Moderatoren" und „Rednern" machte deutlich, dass das Rennen um den
ersten Platz im Rathaus [...]fiir beide Seiten mehr als nur lokale Bedeutung hatte.25 Entsprechend
optimistisch erwarteten die Parteien das Ergebnis des ersten Wahlgangs.
WW: Kandidatenbefragung per Talk-Show. Pit Klein befragt im „Neumeyer" Rolf Böhme und seine potentiellen
Wähler, in: BZ vom 1.7.1982.
Günter Grass: Immer am Wege, in: Über Jahr und Tag (wie Anm. 21), S. 94. Grass als „Fan" des SC Freiburg ist zu
sehen auf einem Foto aus dem Jahre 1998, wiedergegeben in: 60 Jahre Freiburger Wochenbericht, Jubiläumsausgabe
vom 4.7.2012, S. 37. In einem Schreiben vom 4.6.2012 schildert Prof. Gerd Mielke die Wahlveranstaltungen mit den
beiden prominenten Unterstützern: Grass stand für die damals ja noch durchaus nicht selbstverständliche
Gesprächsbereitschaft mit den „Alternativen " und „Hausbesetzern ", die Böhme durch seine Mitgliedschaft in der so
genannten „Bürgengruppe" [...] unter Beweis gestellt hatte und die darauf abzielte, nach den Häuserkämpfen wieder
auf einen innerstädtischen Frieden im eigentlichen Wortsinne zuzusteuern. Biolek war als Student in einem VW-
Käfer mit Böhme durch Arabien gereist; die beiden waren also lange bekannt und befreundet, und Biolek präsentierte
einfach einen bunten Abend im Kolping-Saal, ganz so, wie man das aus dem Fernsehen kannte und mochte.
Einige meist eher allgemeine Bemerkungen bezüglich des Versuchs, das Wahlkampfengagement von
Bundespolitikern als unangebracht, im Grunde unzulässig zu kritisieren, sind zu finden in den Artikeln: Karl-
Heinz Zurbonsen: Christdemokraten furchten den Schmidt-Effekt. Der Ex-Kanzler begeistert 15 000 Freiburger
- Mit harten Bandagen in die Schlußrunde, in: Südkurier vom 16.10.1982; Ulla Bettge: Wahlkampf endet mit
schneidender Schärfe. Zum Schluß sprach Helmut Schmidt auf dem Münsterplatz - Morgen fällt die Entscheidung
, in: Stuttgarter Zeitung vom 16.10.1982; „Leisler Kiep: Ungern-Sternberg Oberbürgermeister für Freiburg
", in: Freiburger Wochenbericht vom 15.10.1982 (Sonderausgabe zur OB-Wahl am 17. Oktober 1982). Zu
dieser Frage ferner: Schreiben Prof. Dr. Hermann Schäfer, Gründungspräsident der Stiftung Haus der Geschichte
der Bundesrepublik Deutschland, Ministerialdirektor und Vertreter des Kulturstaatsministers im Bundeskanzleramt
a.D., vom 6.7.2012; Schreiben Oberbürgermeister a.D. Dr. Rolf Böhme vom 17.7.2012; Schreiben Prof.
Dr. Gerd Mielke vom 11.7.2012 mit dem Hinweis, dass jeder der beiden Kandidaten naturgemäß mit seinen spezifischen
Pfunden zu wuchern versuchte, und während von Ungern-Sternberg hier seine Bilanz als Baubürgermeister
ins Spiel bringen konnte, hätte eine derartige Absprache für Böhme bedeutet, seine bundespolitischen
Jahre weitgehend aus dem Spiel zu lassen.
Bettina Wieselmann: Wahlkampf für einen Freund. Helmut Schmidt stritt in Freiburg für Rolf Böhme, in:
Stuttgarter Nachrichten vom 16.10.1982.
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