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Erster Wahlgang: Ein Gewinner, kein Sieger
„Runde eins", am 3. Oktober 1982, ging an den Kandidaten, der einen Aufstieg in der Rathaushierarchie
anstrebte.26 Bei einer Beteiligung von 67,8 % der Wahlberechtigten erhielt CDU-
Politiker von Ungern-Sternberg 38.444 Stimmen (= 48,9 %). Er gewann damit rund 300
Stimmen mehr als - bei einer deutlich höheren Wahlbeteiligung sein Parteifreund Conrad
Schröder bei der Bundestagswahl im Jahr 1980, doch fehlten genau 900 Stimmen zur erforderlichen
absoluten Mehrheit. Das Resultat legte somit den Schluss nahe, dass das von Ungern-
Sternberg im zweiten Wahlgang „zusätzlich mobilisierbare Potential relativ klein" sein könnte.
Allerdings hatte von Ungern-Sternberg gegenüber Böhme, der auf 34.739 Stimmen (= 44,1
%) kam, einen Vorsprung von 3.705 Stimmen. Gegenüber der Bundestagswahl 1980, als er mit
43.376 Stimmen das Direktmandat gewonnen hatte, war dies für den Sozialdemokraten ein
deutliches Minus: „Dem Oberbürgermeisterkandidaten Dr. Böhme gelang es somit beim ersten
Wahldurchgang weniger gut sein Wählerpotential auszuschöpfen als seinem wichtigsten
Konkurrenten Dr. von Ungern-Sternberg."27
Möglicherweise verfugte jedoch der frühere Parlamentarische Staatssekretär über ein - größeres
- Wählerreservoir, das zu erschließen Ziel der zweiten, kurzen Wahlkampfphase sein sollte
. Optimismus leitete auch die Christdemokraten, die sich sicher waren, der Gewinner werde
zwei Wochen später alles klarmachen und schließlich als Sieger Freiburgs neues Stadtoberhaupt
sein. Erste Wahlanalysen zeigten indessen, dass die jüngsten Vorgänge in der
Bundespolitik auf das Wahlverhalten in Freiburg nicht ohne Einfluss geblieben waren.28 Dieser
Trend sollte sich verstärken - und geradezu sichtbar werden im Vorfeld des zweiten Wahlgangs,
als die Bundespolitik selbst, mit Personen und Themen, im Wahlkampf aktuell und präsent
wurde.
Leisler Kieps Wahlrede
13. Oktober 1982: Heftige Kritik an der soeben abgelösten Bundesregierung übte auf der
Abschlusskundgebung des CDU-Kandidaten im Paulussaal vor ca. 600 Zuhörern der Hauptredner
Walther Leisler Kiep. Laut Zeitungsberichten befasste sich der frühere niedersächsische
Finanzminister dabei entgegen der Ankündigung mehr mit Bundespolitik als mit kommunalpolitischen
Fragen. Als erste Maßnahmen einer „Wendepolitik" befürwortete der augenblickliche
Oppositionsführer in der Hamburger Bürgerschaft nämlich u.a. ein Sparkonzept für mehrere
Jahre ohne Verzicht auf wichtige staatliche Investitionen, Maßnahmen zur Entbürokratisierung
sowie, nach Lösung des Entsorgungsproblems, den Bau neuer Kernkraftwerke. Dem bisherigen
Regierungschef ersparte er nicht den Vorwurf, dieser habe eine „Dolchstoßlegende" verbreitet,
um von dem Scheitern in der eigenen Partei, nachdem führende Repräsentanten wie Willy
Brandt, Erhard Eppler und Oskar Lafontaine sein Ansehen in der Öffentlichkeit beschädigt hätten
, abzulenken und ebenso von der Ausgabenpolitik der sozialliberalen Regierung, die im
Grunde Jahrzehnte über die Verhältnisse gelebt habe. Allerdings sei nicht zu bestreiten, dass die
FDP, nunmehr Partner in der neuen Bonner Koalition, einen heftigen internen politischen Kon-
Zum Folgenden die wissenschaftliche Wahlanalyse von Gerd Mielke/Rainer Tressel: Wahl des Oberbürgermeisters
in Freiburg im Breisgau am 3. und 17. Oktober 1982, Ergebnisse und Analysen, Freiburg Dezember
1982, S. 6-40; ferner: Heinz-Dieter Popp: Keine Entscheidung im ersten Wahlgang, in: BZ vom 4.10.1982.
Mielke/Tressel (wie Anm. 26), S. 16.
Ulrich Homann: Ungern mit Optimismus, Böhme sieht gute Chancen, in: BZ vom 4.10.1982; Wolfgang Fiek:
Entscheidung vertagt, ebd.
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