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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
131.2012
Seite: 199
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2012/0201
In den beiden einführenden Kapiteln erläutert der Autor zunächst den Begriff „Totentanz" und die
Vorläufer und Vorbilder dieses in den meisten Ländern Europas verbreiteten Themas: die Begegnung des
Todes mit Vertretern aller Stände der Menschen, die sich ohne Ansehen ihres Ranges seiner Macht unterwerfen
und in den tödlichen Reigen einreihen müssen. Schon in den Vado mon-Gedichten des frühen 13.
Jahrhunderts klagen Vertreter verschiedener Schichten über den frühen Tod. Als ältestes Beispiel ist eine
Stelle aus einer 1070 im Kloster Hirsau entstandenen Bußpredigt des Benediktiners Noggerus abgedruckt.
Seit Anfang des 14. Jahrhunderts unterweisen geistliche Anleitungen die Menschen in der „Kunst des heilsamen
Sterbens" (ars moriendi).

Eine der möglichen Quellen für die Bildtradition des Totentanzes sind Darstellungen des Weltgerichts,
bei denen die Toten nach Ständen geordnet zum Himmel aufsteigen oder zur Hölle fahren.
Verbildlichungen der Legenden von den „Drei Lebenden und drei Toten" und der „Dankbaren Toten"
gehören zwar nicht zu den eigentlichen Totentänzen, sind aber eine weitere wichtige Voraussetzung für
deren Entsehung und Gestaltung. In frühen, bilderlosen literarischen Fassungen des Totentanzes - als ältestes
Beispiel gilt ein in lateinischen Hexametern verfasster Text des 14. Jahrhunderts (eingebunden in die
Sammelhandschrift cpg 6 aus der Heidelberger Bibliotheca Palatina) - tanzen noch Verstorbene mit den
ständisch geordneten Lebenden. Das Motiv des personifizierten Todes, der selbst zum Tanz führt, zeigt
sich als spätere Entwicklung. Die frühesten bildlichen Darstellungen finden sich auf Friedhofsmauern, an
Wänden von Beinhäusern und in Kreuzgängen, seltener in den Kirchen selbst. Inwieweit der in Einzelfällen
überlieferte Brauch von Tänzen bei Totenfeiern auf Friedhöfen und in Kirchen die Bildtradition
beeinflusst hat, wäre noch zu untersuchen.

Eine zentrale Rolle bei der Verbreitung des Totentanzes als Bildmotiv spielte der Pariser Danse
macabre, der 1424/25 auf die Mauer des dortigen Cimetiere des Innocents aufgemalt wurde. 1669 wurde
die Friedhofsmauer im Zuge einer Straßenerweiterung abgebrochen. Die Wandmalereien sind aber mit
zugehörigen Texten in Holzschnitten des 1485 durch den Drucker Guyot Merchand in Paris publizierten
Danse macabre überliefert. Das Buch und mehrere Nachfolgepublikationen sorgten für die Verbreitung
der Pariser Motive über die Grenzen Frankreichs hinaus. Als weiteres prominentes französisches Beispiel
wird der unvollendete und in Fragmenten erhaltene Zyklus in der ehemaligen Benediktinerabteikirche La
Chaise-Dieu (Auvergne, Dept. Haute-Loire) näher beschrieben, der vielleicht schon vor dem Pariser Zyklus
zwischen 1410 und 1425 entstanden ist.

Die Wandlung des Totentanzes von der bebilderten Bußpredigt angesichts des Jüngsten Gerichts im
Spätmittelalter hin zur Darstellung allgemein menschlicher Verhaltensweisen in der Zeit des Humanismus
und der Renaissance zeigt die Gestaltung des Themas durch Künstler wie Hans Holbein d.J. Aus dem Paar-
und Gruppentanz wird die Einzelbegegnung mit einem auf die jeweilige Person bezogenen, individualisierten
Tod. Er überrascht den Todeskandidaten bei einer typischen Beschäftigung mitten im alltäglichen
Leben. Zwar steht noch immer die Unausweichlichkeit des Sterbens im Mittelpunkt, nach und nach verliert
der Tod aber etwas von seinem Schrecken. Spätestens in der Zeit der Aufklärung tritt der Tod vollends
als Freund auf, ein Bild, das den Sterbenden die Angst nehmen soll.

Die Fülle der erhaltenen Totentänze im eingangs definierten alemannischen Sprachraum lässt den
Schluss zu, dass die deutsche Totentanztradition hier ihren Ausgang genommen hat, wobei offenbar der
Stadt Basel eine gewichtige Rolle zukommt. Bereits im frühen 14. Jahrhundert sind am Oberrhein Darstellungen
der „Drei Lebenden und drei Toten" zu finden, bis hin zum vermutlich ersten monumentalen Totentanz
der Region an der Friedhofsmauer der Dominikanerkirche in Basel. Er entstand während des in
Basel tagenden Konzils (1431-1448) und hat dadurch weite Beachtung gefunden und weitere Zyklen
beeinflusst. Einflussreich war auch der gleichzeitig geschaffene Totentanz im Kreuzgang des Augustiner-
Chorherrenstifts St. Michael zu den Wengen (Wengenkloster) in Ulm. Beide Totentänze sind später zerstört
worden; lediglich von den Basler Bildern blieben Fragmente erhalten (heute im Historischen Museum
Basel).

Der umfangreiche Katalogteil, der den größten Teil des Buches einnimmt, setzt mit acht Beispielen -
darunter eine Handschriftenillustration - der Legende von den „Drei Lebenden und den drei Toten" ein, es
folgt die Legende von den „Dankbaren Toten", von der vier Wandgemälde und eine Wappenscheibe ermittelt
werden konnten - bemerkenswerterweise ausschließlich in der Zentralschweiz. Im IV Kapitel setzt die
chronologische Reihe der eigentlichen Totentänze ein. Sie beginnt mit dem genannten Großbasier Beispiel
von 1439/40 und endet mit dem 1887 geschaffenen Totentanz in Rheinfelden-Herten.

Insgesamt umfasst der Katalog 52 Nummern. Vorgestellt werden nicht nur Werke der Wandmalerei, wie

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