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werden mit der Chronik nur die Abbildungen in Verbindung gebracht und deren kunsthistorischen Aspekte
behandelt. Im Gegensatz dazu war es das Anliegen des Herausgebers, eine gut benutzbare und zugängliche
Textversion zu erarbeiten. Bucks Edition hat also zielgerichtet den Text der Chronik als kulturgeschichtliche
Quelle im Auge, was durchaus eine bedeutsame Verschiebung des Quellenwerts bedeutete. Die
Bearbeitungen der Chronik bzw. des überarbeiteten Chronikstoffes des späten 15. Jahrhunderts im Sinne
eines Kollektivgedächtnisses der Stadt Konstanz filterte Buck aus der Fülle der Überlieferungen in der
Edition heraus. Er kann daher sogar ganz bewusst auf Bilder und Abbildungen verzichten, zumal vom
Verlag zum Jubiläum auch eine Faksimile-Ausgabe vorgelegt werden soll, die schon angekündigt ist. So
werden in Kürze also mit Text und Bild gute und opulente Arbeitsmittel zu Richentals Konzilschronik problemlos
zugänglich sein und neue Anregungen oder Zugänge ermöglichen.
Der aktuellen Edition von Thomas Martin Buck liegt die Fassung seines Namensvetters Michael
Richard Buck aus dem Jahr 1882 (mit Nachdrucken aus den Jahren 1962, 2004 und 2008) als Basis zugrunde
. Quellenvorlage wurde die heute in New York befindliche Aulendorfer Handschrift. Dennoch weicht die
Neuedition von seiner Vorgängerversion nicht unerheblich ab, bringt Richtigstellungen und erhebliche
Zusätze. Ein besonderes Verdienst der Neuedition ist die erstmals durchgeführte Sichtung aller bekannten
23 Manuskripte und Druckversionen, darunter auch die sieben Bilderchroniken. Dabei wurde klar, dass es
aufgrund der Genese des Werkes kein (erhaltenes) Original oder eine Urfassung der Chronik gibt oder
geben kann (S. XXVII). Eine kritische Ausgabe, die alle Textvarianten, Lesarten und Bearbeitungen des
Chronikstoffes berücksichtigt, kann daher so auch nicht rekonstruiert werden, weshalb logischerweise der
Weg einer Neubearbeitung auf der Basis der Aulendorfer Handschrift mit Korrekturen, Ergänzungen und
Zusätzen gewählt wurde. Im Vordergrund stand dabei zweifelsfrei immer der Text und seine Lesbarkeit. Ein
wichtiges Argument für diese Entscheidung und die Auswahl der Aulendorfer Handschrift als Basistext war
ihre relativ frühe Entstehungszeit in einer disparaten Überlieferungssituation in einer Gemengelage mehrerer
konkurrierender, gleichzeitiger und sich mehrfach ändernder Fassungen. Bucks erfolgreiches Unternehmen
präsentiert eine handliche, sorgfältige und bewusst „kritische Leseausgabe4' aber keine historischkritische
Ausgabe (siehe S. XXIII), die von einem einzelnen Fachmann kaum in absehbarer Zeit zu leisten
gewesen wäre.
Dem chronikalischen Text voraus geht eine umfangreiche Einleitung von über 40 Seiten zum Stand der
Forschung, der breiten Überlieferungsvielfalt, der Anlage der Textausgabe sowie den Editionsprinzipien.
Dazu kommen ein Verzeichnis der Literatur und eine Nennung aller Handschriften und Drucke mit ihren
Verwahrorten. Der Edition, die sich an der Kapitelzählung ihrer Vorgängerversion anlehnt, folgen zusätzlich
ein hilfreiches Glossar, ein Register der Orts- und Personennamen sowie ein Plan der Stadt Konstanz
zur Konzilszeit in der vorliegenden zweiten Auflage. Der Apparat zur Edition ist knapp und übersichtlich,
sowohl bei den textkritischen wie bei der weiterführenden Literatur. Hier möglicherweise vermisste
Hinweise wird die Fülle der in kürze erscheinenden Konzilsliteratur aber gewiss nachliefern. Bei der
Edition von Richentals Konzilschronik traten leider die umfangreichen Teilnehmerlisten in den Hintergrund
, was sicher auch dem besonderen Stand der Forschung geschuldet ist. Der Problematik der Schreibweisen
, der (Un-)Vollständigkeit und der Identifikation der Einzelpersonen in den Teilnehmerlisten voll
bewusst, entschied sich der Herausgeber dafür, dieses unsichere Terrain möglichst auszulassen. Konsequenterweise
schlug sich dies dann so nieder, dass sich Orts- und Namensregister ausschließlich auf den
chronologischen Teil ohne die Teilnehmerlisten beschränken. Trotz der nachvollziehbaren Argumente für
diesen Weg, ist diese Entscheidung bedauerlich und sicher keine ideale Wahl. Zumindest das Register wäre,
vielleicht in anderer Type, auf die Listen verweisend durchaus zu erweitern.
Bei der Neuherausgabe sollte interessierten Laien ebenso wie Fachleuten mit der Edition ein gutes
Arbeitsinstrument an die Hand gegeben werden. Geleitet vom Motiv, dass Ulrich Richtental und seine Chronik
es Wert sind, aufs neue entdeckt zu werden, schafft Thomas Martin Buck eine gelungene und lesenswerte
Neuedition. Diese Herangehensweise und die Pragmatik könnten auch für andere Editionsvorhaben beispielhaft
werden. Die zweite Auflage hat (Vorwort zur 2. Auflage, S. X) dankenswerterweise auch bereits kleinere
Anregungen von Fachleuten und Rezensenten aufgegriffen und umgesetzt, wie die Ergänzung des Plan der
Stadt zur Zeit des Konzils in der zweiten Auflage. Bucks Publikation zum Konzil wird sicher eine der wertvollsten
und attraktivsten im Umfeld des Konzilsjubiläum sein. Und sie wird eine der Publikationen sein, die mit
Fug und Recht auch nach dem Jubiläum am häufigsten und andauerndsten genutzt werden wird, ganz abgesehen
davon, dass der Band auch sonst äußerst attraktiv und lohnend zu lesen ist. Dieter Speck
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