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Wer waren also die Herzögen von Urslingen? Welches waren die entscheidenden Phasen ihres gesellschaftlichen
Auf- und Abstiegs? Mit der Herausgabe dieses geschichtlichen Überblicks von Herzog Rei-
nold (V.) (ca. 1337-1365) bis zu Herzog Reinold (VI.) (gest. 1442) will man - so Bürgermeister Thomas
Haas im Vorwort - den Versuch unternehmen, den Bürgern „ein weiteres Kapitel der interessanten Stadtgeschichte
" (S. 9) nahe zu bringen. Die Dokumentation spiegelt die Wandlungen eines kleinen mittelalterlichen
Adelsgeschlechts im deutschen Südwesten wider. Von den hochmittelalterlichen Ursprüngen, als die
Ritter Egenolf und Konrad von Urslingen mit Truppen Kaiser Friedrichs I. Barbarossa nach Italien zogen
und 1176/77 Konrad zum Herzog von Spoleto ernannt wurde, bis zum Jahr 1458, als die Herrschaft über
das ganze Kinziggebiet an die württembergischen Grafen Ludwig I. (1412-1450) und Ulrich V. (1413-
1480) überging, spannt der Autor den Bogen und zeigt den Wechsel von Allianzen, Verträgen, Solddienstleistungen
, Fehden und Beutemachen, die das alltägliche Leben jener „adligen" Welt prägten. Der kleine
Band beschreibt somit zugleich einen wichtigen, wenn auch relativ kurzen Abschnitt der Schiltacher
Stadtgeschichte.
Das reich bebilderte Buch lässt sich flüssig lesen. Eine Chronologie des Urslinger Hauses fehlt leider
und wäre sicher hilfreich gewesen. Der wissenschaftlich interessierte Leser wird sich weiterhin für die Zeit
des Hochmittelalters an Harters Dissertation über „Adel und Burgen im oberen Kinziggebiet. Studien zur
Besiedlung und hochmittelalterlichen Herrschaftsbildung im Mittleren Schwarzwald" (1992) und für die
daran anschließende Epoche an Klaus Schubrings Veröffentlichung „Die Herzoge von Urslingen. Studien
zu ihrer Besitz-, Sozial- und Familiengeschichte mit Regesten" (1974) halten. Marco Leonardi
Walter Hochreiter: Pioniere der Landwirtschaft. Das Markgräfler Hof- und Weingut Marget 1700-1925,
Verlag Regionalkultur, Heidelberg/Ubstadt-Weiher/Basel 2011, 168 S., zahlr. Färb- und S/W-Abb.
Walter Hochreiter zeichnet hier die Geschichte der Familie Marget und des gleichnamigen Hügelheimer
Hof- und Weinguts anhand von vier Generationen nach. Nachdem es den ersten beiden Generationen durch
Marktorientierung, Konzentration auf den Weinbau und Gütererwerb - nicht zuletzt auf der Basis günstiger
Heirats Verbindungen - gelungen war, einen großen und für die Zeit modernen Betrieb zu errichten, sind
es Johann Jacob II und seine Frau Elisabeth, die im 19. Jahrhundert durch Innovationskraft das Hofgut zum
Erfolg führen. Der Familie gelingt es, über mehrere Generationen hinweg vom ländlichen Strukturwandel
zu profitieren.
Vor allem das Weinvertriebssystem Johann Jacobs II sollte für seinen Sohn Emil Friedrich von entscheidender
Bedeutung sein. Sie bauten ein internationales Kontakt- und Handelsnetz auf, das auf einer Art
„Strukturvertrieb" über Verwandte, Freunde, langjährige Kunden und Geschäftspartner basierte. Anderes
ließ sich in der vierten Generation nicht weiterführen wie die Seidenraupenzucht oder der Tabakanbau
inklusive der Zigarrenherstellung. Dadurch nahm schließlich der Weinbau und -vertrieb die zentrale Rolle ein.
Am Beispiel des Hofgutes der Familie Marget lässt sich die agrarische Entwicklung von der traditionellen
Dreizelgenwirtschaft mit ausgeprägter subsistenzwirtschaftlicher Ausrichtung über das Ende der
Lehensabhängigkeit und mit den Zehntablösungen hin zu einem „modernen" Agrarbetrieb nachverfolgen.
Die zunehmende Mechanisierung durch den Einsatz verschiedener landwirtschaftlicher Geräte wird genauso
sichtbar wie die Anfange der Verwendung nichtorganischer Düngemittel. Über Experimente mit Sonderkulturen
führt der Weg zu einer klaren Spezialisierung auf den Weinbau und -verkauf.
Diese Entwicklungslinien sind in ihrem Verlauf bekannt und längst beschrieben, konnten hier aber auf
beeindruckend dichte Weise innerhalb mehrerer Generationen einer einzigen Familie nachgezeichnet werden
. So entstand aus der Überlieferung des Marget-Hofes eine Alltags- und Ortgeschichte Hügelheims, die
Sozialstrukturen und wirtschaftlichen Verbindungen innerhalb des Orts und bis weit in die Region hinein
sichtbar macht. Daneben zeigt die Familiengeschichte wie sich Bildungsverhalten und gesellschaftliches
Selbstverständnis im Verlauf der Generationen wandeln. Aufgrund der exzellenten Überlieferungssituation
konnten auch Aussagen über die wichtige Rolle der Frauen auf dem Hof gemacht werden.
Walter Hochreiter hat eine beeindruckende Menge an Originalquellen ausgewertet und sie kenntnisreich
mit den Grundlinien der Agrargeschichte in Relation gesetzt. Es ist schier unglaublich, was alles im
Familienarchiv der Margets überliefert ist. Neben Privat- und Geschäftsbriefen gibt es Arbeitstagebücher,
Rechnungsbücher, ja sogar Nachrichten über die Bestellung von landwirtschaftlichen Geräten.
Das Buch ist „quellengesättigt", aber dennoch gut lesbar und flüssig geschrieben. Dem strukturierten
Aufbau sind am Schluss einige - verzeihliche - Wiederholungen geschuldet. Es ist beeindruckend, wie viel
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