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Vespucci bezeichnet mit dem Begriff „terra ferma" eine nach Süden streichende Landmasse,
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die in Verbindung mit dem asiatischen Kontinent steht.
Amerigo Vespuccis „Quatuor Navigationes"
Als Anhang der „Cosmographiae Introductio" und als Dokument über die Entdeckung des
neuen Erdteils durch Amerigo Vespucci fügte Ringmann dessen Bericht über seine „Quatuor
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Navigationes" („Vier Seefahrten") bei. Dieser war eine lateinische Ubersetzung der „Lettera
di Amerigo Vespucci delle isole nuovamente trovate" an Piero Soderini, dem Gonfaliere, also
Stadthauptmann von Florenz. Der Brief war von Basin de Sandoucourt, einem Mitglied des
Gymnasiums Vosagense, aus einer französischen Fassung ins Lateinische übersetzt worden.
Amerigo Vespucci (1454-1512) war der Sohn eines Florentiner Notars (Abb. 2).24 Er wurde
von seinem Onkel, dem Dominikaner Fra Giorgio Antonio Vespucci unterrichtet. Neben
Grammatik, den klassischen Autoren Aristoteles und Virgil und den Zeitgenossen Dante und
Petrarca wurden auch Kenntnisse über Astronomie, Kosmografie und Geografie nach Ptole-
mäus vermittelt. 1478-1480 begleitete Amerigo seinen Onkel Guido Antonio Vespucci als
Sekretär nach Paris. Diesen hatte Lorenzo der Prächtige als Gesandten an den Hof König
Ludwigs XI. von Frankreich abgeordnet, um eine Allianz gegen Papst Sixtus IV. zu schmieden
. 1482 trat Vespucci in den Dienst des Bankhauses des Lorenzo di Pierfrancesco de' Medi-
ci, der ihn 1491 an die Niederlassung in Sevilla entsandte. Mit dem dortigen Agenten Giannot-
to Berardi bildete er eine Gesellschaft zur Finanzierung der ersten Flotte des Kolumbus. Nach
dem Tod Berardis 1495 übernahm Vespucci die Leitung des Bankhauses in Sevilla. In den
Jahren 1497/98 und 1499/1500 unternahm Vespucci zwei Seereisen im Auftrag König Ferdinands
II. von Aragon, 1501/02 und 1503/04 unter der Flagge König Manuels von Portugal.
Zurückgekehrt nach Spanien, wurde Vespucci in Kastilien eingebürgert und zum Piloto Major
, also zum Chef-Lotsen in der Casa de Contrataqiön, der Überseebehörde in Sevilla, er-
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nannt. Seine Aufgabe war die Ausbildung und Prüfung der Lotsen in Navigation, besonders
die Handhabung von Quadrant und Astrolabium. Außerdem war er verantwortlich für die Kar-
tografie und die Erstellung des „Padron Real", einer zentralen Karte mit den neu entdeckten
Gebieten. Er starb am 22. Februar 1512 in Sevilla.
Seine vier Entdeckungsreisen schilderte Vespucci in dem Brief an Piero Soderini vom 4.
September 1504 aus Lissabon. Der lateinischen Fassung der „Quatuor Navigationes" stellen
die Herausgeber eine Widmung von Vespucci an Rene IL, König von Jerusalem und Sizilien
und Herzog von Lothringen voran, eine Huldigung an ihren Mäzen. In Wirklichkeit aber ist
die Schrift Piero Soderini gewidmet, den Vespucci in seinem Vorwort auf seine Staatsgeschäfte
und an die gemeinsame Schulzeit bei Giorgio Antonio Vespucci anspricht.
In Ermangelung von Zeitungen dienten öffentliche Briefe von Augenzeugen im Zeitalter des
Humanismus dem Informationsbedürfnis der gebildeten Welt über aktuelle Ereignisse. Der
Brief Vespuccis an Soderini befriedigte die Neugier der Zeitgenossen über die Entdeckung der
neuen Welt. Die „Lettera di Amerigo Vespucci delle isole nuovamente trovate" in ihrer latei-
Martin Lehmann: Amerigo Vespucci and His Alleged Awareness of America as a Separate Land Mass,
in: Imago Mundi - The International Journal of the History of Cartography 65/1 (2013), S. 15-24.
Quatuor Americi Vesputii Navigationes. Eius qui subsequentem terrarum descriptionem de vulgari gallico
in Latinam transtulit, in: Waldseemüller (wie Anm. 19).
Lexikon zur Geschichte der Kartographie, Bd. I, bearb. von Ingrid Kretschmer, Wien 1986, Sp. 396ff.
Martin Fernändez de Navarrete: Obras, Bd. II, Madrid 1955, Cedula vom 22.3. und vom 6.8.1508, S.
178 und 181.
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