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Auf die gereimte Vorrede folgt in Prosa die Beschreibung des Bundschuhs. Gleich eingangs
belegt Gengenbach den unverzeihlichen Ungehorsam der Bundschuher mit den „zehn Artikeln
", in denen diese ihr Vorhaben kundgetan haben. Der erste Artikel bekennt: dz sie fürter
hin keinen Herren me wolten haben vnd gehorsam sin, dan allein den keyser vnd den babst.
Und der zehnte und letzte Artikel droht: welcher sich wider irfürnämen setz, wellen sie zu tod
schlagen. Folgerichtig richtet Gengenbach in den letzten Zeilen des Bundschuhtraktats an Gott
die Bitte, den Anhängern des Bundschuhs erkantnüß der gehorsamkeit zu verleihen.
Für den Verfasser des „Narrenschiffs vom Bundschuh" verstößt das Vorhaben des Bundschuhs
in allem wider gott auch wider eer vnnd recht, sodass man in ihm nur das Werk des
Teufels erblicken kann - O we owe der missetat. Wer dem Bundschuh anhängt, muss deshalb
ein ertznarr, ein von Grund auf verdorbener Mensch sein: Der muß die art schon an jm han I
Das er verrucht sy vnd verwegen /[...]/ Das er on gott ouch er vnd füg I Ouch widers kaysers
haylig recht I Durch vffrür also an sich brecht I Das er mit gott nit haben mag.
Das teuflische Vorhaben der Bundschuher wird - wie bei Gengenbach - belegt durch die
„Artikel" des Bundschuhs, vor allem durch den ersten: Alle menschen wolten [sie] zwingenn I
Vnd gewalte geliehen dar zu bringenn I Da sy nun theten waß sy wetten I Vnd allein zwen Herren
hetten I Als bapst vnd keyser hie vff erdenn I So müsten damit nichtig werdenn I All ander
herrn in der weit.
Doch selbst dieser Artikel verbarg für den Autor des „Narrenschiffs" nur die eigentliche
Absicht der Bundschuher: Sy gantz keyn Herren wolten han I Damit sy glich also verstopf I Ir
leben fürten on ain hopt I [...] / Darumb ain yeder mensch gar wol / Sich vor dem bundtschüch
hüten soll.
Denn Gott selber hat es so eingerichtet vnnd durch die heiligen gschrifft bstelt / Das yeder
mensch sol ghorsam sin /Dem obern da er gehöret hin I Gantz by vermidung hellscher pen. So
ist es der Gipfel der Gotteslästerung, dass die Bundschuher auf ihr Fähnlein ein Kruzifix haben
malen lassen. Das rechte Symbol wäre der „schwarze Skorpion" gewesen, der allzyt gifft muß
von im Ion. Christus hingegen sei vmbfridens willen gstorben.
3. Der Bundschuh zu Lehen. Ein Rekonstruktionsversuch
Der Rat der Stadt Freiburg war kein neutraler, auf Objektivität bedachter Berichterstatter des
Lehener Bundschuhs.64 Er war im Gegenteil engagierte Partei - und als solche ein treuer Diener
seines Herrn, Kaiser Maximilians. Denn der Rat setzte ein Bild vom neuerlichen Bundschuh
in Umlauf, das der Deutungslinie folgte, die mit dem kaiserlichen Mandat von 1502
offiziell festgelegt worden war. Es war ein Feindbild, gemalt in dunklen, abschreckenden Farben
. Der Bundschuh war, so die Stadt, das Werk eines moralisch minderwertigen, vom Teufel
besessenen Menschen. Seine Anhänger waren liederliche, arbeitsscheue Personen, die jede
Herrschaft und Ordnung abschütteln und mit anderer Leute Güter reich werden wollten. Freiburg
bestritt energisch, dass die Bundschuher irgendeinen triftigen Grund für ihr Verhalten
hätten.65 Die Publizisten, Sänger und Literaten, die sich des Themas alsbald annahmen, teilten
die amtliche Sicht des Lehener Bundschuhs und brachten sie auf ihre Weise unters „Volk".
Umso mehr muss sich die Geschichtswissenschaft aufgerufen fühlen, in nüchterner Distanz
und strenger Bindung an die vorhandenen Quellen herauszuarbeiten, was der Bundschuh „ei-
Das hat schon Rosenkranz, Bd. 1 (wie Anm. 1), S. 277, 341 und 344 gesehen, doch zog er daraus nicht
die notwendigen Schlüsse. Vgl. o. S. 41 Anm. 2 (Dillinger).
Vgl. dazu o. S. 48 und Anm. 37.
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