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wieder und versetzten damit den Freiburger Rat in Erklärungsnot. Belegt ist, dass Joß Fritz
sich mehrmals in Freiburg aufhielt. Doch reine Stimmungsmache war sicher die Behauptung
des Hans Humel, dass vil von Fryburg im Bundschuh seien; Marx Studiin verstieg sich sogar
zu der Aussage, das wol die halben zunftigen in [der] statt in solhem spil sient. Dagegen bekannte
Kilius Meyger, er wisse nicht, das iemant us Friburg ie zu inen komen sie. So kann
man wohl dem Freiburger Rat Glauben schenken, wenn er schreibt: Es haben diese boshaftigen
gesellen angezougt, es sigent vil us dieser stat Fryburg und andern Stetten in ir gesel-
schaft. das hat sich von den gnaden Gots noch bishar uf diesen tag nit erfunden und deheiner
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angezougt werden mögen, usgenomen ein verlorne person. In der Tat konnte Freiburg nur
zwei Einwohner dingfest machen, den Nachtwächter Heinrich Spies, genannt Rotheinz, und
Martin Tuffel aus dem jenseits der Stadtmauer gelegenen Adelhausen. Deren Vergehen bestand
jedoch nur darin, vom Bundschuh Kenntnis gehabt zu haben, ohne dies dem Rat gemel-
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det zu haben; auf Urfehde wurden beide aus der Haft entlassen.
In der Systematik von Unruhen, Revolten und Aufständen an der Wende vom Mittelalter zur
Neuzeit zählen die Bundschuhverschwörungen zu den herrschaftsübergreifenden Bewegun-
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gen. Auch 1513 überschritt Joß Fritz bei seinen Werbungen die herrschaftlichen Grenzen.
Anhänger suchte und fand er in Vorderösterreich ebenso wie in der Markgrafschaft Baden.
Vorderösterreichische Orte waren etwa Lehen, Betzenhausen, Merdingen, Neuershausen oder
Munzingen, markgräflich-badisch waren Mengen, Schallstadt, Wolfenweiler oder Eichstetten.
Ebenso wichtig war zudem, dass die vorderösterreichischen Dörfer einflussreichen Orts-
(Gerichts-)Herren unterstanden, die als nächstgesessene Obrigkeiten das lokale Geschehen
bestimmten. Betzenhausen gehörte seit 1381 der Stadt Freiburg; Ortsherr in Lehen war Baltha-
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sar von Blumeneck und die „Mark Buchheim" war seit 1491 im Besitz des Konrad Stürtzel.
Aus der herrschaftsübergreifenden Anlage des Lehener Bundschuhs muss logischerweise
folgen, dass dieser nicht als Antwort auf spezifische und eigentümliche Spannungen zwischen
einer Bauernschaft und ihrem Herrn konzipiert war. Der Versuch, ein neues Mitglied zu werben
, mochte zwar bei einem konkreten Missstand ansetzen; das Programm der Verschwörung
selbst musste jedoch alle lokalen und territorialen Besonderheiten hinter sich lassen und allgemein
verbindliche Ziele, gleichsam oberhalb und jenseits aller herrschaftsgebundenen Einzelfälle
, propagieren. Nicht die Beseitigung eines bestimmten Missstandes, gebunden an Umstände
, Orte oder Personen, konnte sein Anliegen sein, sondern die durchgängige, herrschafts-
übergreifende Veränderung gegebener Zustände. Dazu wird noch Näheres zu sagen sein.
Der Bundschuh sollte nach dem Willen des Joß Fritz auch die Grenzen zwischen Land und
Stadt, zwischen Bauern und Bürgern überschreiten - er sollte nicht nur eine herrschaftsübev-
greifende, sondern auch übevständische Organisation sein. Doch müssen wir davon ausgehen,
dass der Versuch, den Bundschuh in der Bevölkerung Freiburgs zu verankern, misslang.90 Es
dürften die ökonomischen und politischen Interessensgegensätze sowie die daraus resultierenden
Spannungen zwischen Stadt und Land gewesen sein, die einem Bündnis grundsätzlich im
Wege standen.
Rosenkranz, Bd. 2 (wie Anm. 1), S. 197 (Nr. 69) und 205 (Nr. 81; Joß Fritz); 225 (Nr. 107; Humel); 139
(Nr. 14; Studiin); 195 (Nr. 69; Meyger).
Ebd., S. 179 (Nr. 63).
Ebd., S. 139 (Nr. 14), 162 (Nr. 45), 172f. (Nr. 58), 179 (Nr. 63) und 201 (Nr. 76). S. o. S. 46 und Anm. 25.
Die andere, zahlenmäßig wesentlich größere Gruppe bildeten die herrschaftsinternen Revolten auf der
Basis des Alten Rechts als legitimatorischer Grundlage; s. u. S. 60.
Zu Konrad Stürtzel s. jetzt Dieter Mertens: Konrad Stürtzel, Hofkanzler und Rat Kaiser Maximilians I. ,
in: Schau-ins-Land 130 (2011), S. 13-33.
S. o. S. 58f.
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