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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2013/0066
3.2 Grundgedanken und Ziele

3.2.1 Die Gesellschaftskritik des Joß Fritz

Bei seinen Werbekampagnien für den Lehener Bundschuh verkündete Joß Fritz wiederholt
und eindringlich eine ebenso klare wie gebieterische Botschaft. Dies jedenfalls behauptete die
Stadt Freiburg in ihrer „Abhandlung" über den Bundschuh von Mitte November.1 7 Joß Fritz
habe sich vor den armen purslewten under einem guten schin mit betrugkenheit oft und dick
(wo si bi einander gesessen sind) merken und vernemen lassen, als ob gotslestern, zutrinken,
wuchern, eebrechen und ander Übeltaten, so merklich überhand nemen und von den obern nit
gestrafft werden, desglichen die beswärden von den herschaffen so groß sient, das dadurch am
letsten ein swer end begegnen und der gemein man selbs darin sehen muß.

Nun ist die Freiburger „Abhandlung" alles andere als ein sachlich informierender Text; sie
ist eine rechtfertigende Tendenzschrift. Dennoch möchte ich nicht ausschließen, dass in diesem
Teil der „Abhandlung" zumindest ein wahrer Kern steckt (unabhängig davon, mit wel-

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chen Worten und Wendungen er im Einzelnen ausgedrückt wird). Dann hätte die Botschaft
des Joß Fritz, oft und dick getriben, so gelautet: Die Welt ist aus den Fugen geraten; die Laster
nehmen überhand; die den Bauern auferlegten Beschwerden sind ins Unerträgliche gesteigert
worden; da von den Obrigkeiten keine Besserung zu erwarten ist, muss der Gemeine Mann
selber für Abhilfe sorgen.

Was hätte Joß Fritz auch anderes sagen sollen, als er Anhänger für seinen Bundschuh warb?
Eine Verschwörung, die einen Aufstand auslösen sollte, kann man schlechterdings nur damit
legitimieren, dass man die Rechtmäßigkeit der bestehenden Ordnung bestreitet und zugleich
betont, dass keine Aussicht auf Besserung vonseiten der Obrigkeiten besteht. Ich habe bereits
darauf hingewiesen, dass Joß Fritz bei seinen Werbungen für den Bundschuh bewusst die
herrschaftlichen Grenzen überschritt.109 Folglich konnte er vor seinen bäuerlichen Zuhörern
nicht „hier oder dort" bestehende Missstände oder einzelne Rechtsverletzungen anprangern.
Seine Kritik musste prinzipieller und fundamentaler gewesen sein. Nichts anderes sagt die
Freiburger „Abhandlung": Joß Fritz habe den Zustand der Welt, quer durch alle Herrschaften,
als Unordnung und Unrecht angeprangert; er habe „Gesellschaftskritik" betrieben.

Sollten die Worte, mit denen Freiburg in seiner „Abhandlung" die Überzeugungsarbeit des
Joß Fritz beschreibt, zumindest annäherungsweise den Originalton des Bundschuh-Führers
wiedergeben, dann hätte dieser Gedanken und Wendungen aufgegriffen, die in der „reforma-
tio"-Debatte des endenden Mittelalters zum Standard-Repertoire gehörten. Die „Reformatio
Sigismundi" (verfasst 1439, seit 1476 mehrfach gedruckt) klagt schon in den ersten Zeilen:
Gehorsamkeyt ist tod I gerechtigkeyt leyt not, / nichts stet in rechter ordenung. Oder: laster
und unrecht ist worden ere und zeühet ytzund herfur. Gerade die Großen und Mächtigen verweigern
sich einer rechten ordenung [...], wann sy füren das unrecht ytzunt fast mit gewalt.110

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Rosenkranz, Bd. 2 (wie Anm. 1), S. 182 (Nr. 64).

Darauf deutet das „Bekenntnis" des Conrad Brun, ebd., S. 206 (Nr. 81): und haben im [Conrad Brun] nit
anders zu verston geben, dann das der buntschu ein gut ding si, wie si der gerechtikeit weiten biston und
das gotzlestern abtun und wie durch ein buntschu sölt das heilig grab gewonnen werden. Auch Jakob Hu-
ser bekannte eine „weit ausholende", grundsätzliche Botschaft des Joß Fritz, ebd., S. 191 (Nr. 69): Die
Bundschuher wollten einen Frieden in der ganzen Christenheit aufrichten; wer jedoch vom Krieg nicht lassen
wolle, der solle gegen die Türken und Ungläubigen kämpfen.
S. o. S. 59.

Reformation Kaiser Siegmunds, hg. von Heinrich Koller (Monumenta Germaniae Historica. Staatsschriften
des späteren Mittelalters 6), Stuttgart 1964, S. 50, 52 und 68.

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