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len aussagen. Auch wird man nicht umhin können zuzugeben, dass die Stadt Freiburg „in Sachen
Bundschuh4' kein glaubwürdiger Zeuge ist. Die Angaben Hansers, Strüblins, Meygers
und Humeis sowie die Aussage des Fahnenbildes wird man dagegen schwerlich hinweginterpretieren
können.
Auf den „Grundsatzartikel" folgen in den „Bekenntnissen" der gefangenen Verschwörer
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einzelne Beschwerden und Forderungen. Sie konkretisieren das konfliktgeladene Verhältnis
von Herren und Bauern in fünf Eckpunkten: Gericht und Recht; Kreditwesen und Schuldenlast
; Abgaben und Dienste; Allmenden, Jagd und Fischfang; Versorgung der Geistlichen und
Klosterbesitz:
Zuständig für alle Rechtsfälle in bürgerlichen Sachen soll allein das jeweilige Ortsgericht
sein: das ein ieder umb schuld vor sinem richter an dem end, da er dann gesessen
wer, solte fürgenommen werdend9 Das kaiserliche Hofgericht in Rottweil soll über si
nit geprucht, die geistlichen Gerichte sollen auf geistlich Sachen beschränkt werden.
Zinsen sollen nur so lange gezahlt werden, bis deren Summe die Höhe des „Hauptgutes
" erreicht hat (bis es sich dem hoptgut verglichen mochte)', dann soll die Schuld als
getilgt gelten. Der Zinssatz darf 5 Prozent (zwenzig umb ein) nicht überschreiten.140
Abgaben und Dienste an die (Leib-, Grund- und Gerichts-)Herren sollen reduziert, teilweise
wohl auch ganz aufgehoben werden; „unbillige" Steuern und Zölle sollen abgeschafft
werden.
Wald, Wasser und Weide sollen jedermann zur Nutzung offen stehen, Jagd und Fischfang
sollen freigegeben werden.
Priestern, Mönchen und Nonnen wird eine ziemliche Versorgung zugestanden. Doch
sollen Priester nicht mehr als eine Pfründe genießen, übermäßiger Klosterbesitz soll unter
das gemeine Volk verteilt werden.
Wir dürfen annehmen, dass die Formulierung der Partikularbeschwerden auf Joß Fritz zurückging
, der bei seinen Werbungen mit einem mehr oder weniger fertigen Programm vor die
angesprochenen Personen trat. Dabei griff er den „vor Ort" angesammelten Zündstoff auf und
formte aus ihm ein konkretes, an der Realität der bäuerlichen Lebenswelt orientiertes und
damit werbewirksames Programm. Gegenüber Kilius Meyger versicherte Joß Fritz, dass er wol
den Vorwurf grundsätzlicher Unbotmäßigkeit von sich zu weisen"; und ebd., S. 286: Kaiser und Papst
„Untertan sein wollen, heißt nach unserer heutigen Ausdrucksweise lediglich: wir sind weder Staats- noch
kirchenfeindlich". Widersprüchlich bleibt Günther Franz (wie Anm. 1). So heißt es S. 72: „Joß Fritz
wollte nicht mehr alle Obrigkeit und alle Abgaben abschaffen, er erkannte gewisse Abhängigkeiten durchaus
an und suchte sie nur aufzulockern"; doch gleich darauf: „Der Bundschuh wollte dem Kaiser und dem
Papste und vorab Gott gehorsam sein und sonst keinem Herrn"; und wieder S. 82: „Das Landesfürstentum
sollte verschwinden. [...] wollten auch die Bundschuher nur noch einen Herren, den Kaiser, über sich anerkennen
." Da für Gunter Zimmermann (wie Anm. 101) die Bildung einer neuen „Schweiz" das Leitziel
der Bundschuhverschwörer war, folgt logisch: „In der griffigen Formel ,keinen Herrn als den Kaiser' ist
das Gewicht demnach eindeutig auf den ersten Teil zu legen; selbst durch den zweiten Teil soll nur expliziert
werden, dass alle weltlichen Regimente und Gewalten beseitigt werden müssen." Doch heißt es dann:
„wohingegen dem Grund- und Gerichtsherrn weiterhin - reduzierte - Abgaben [...] geleistet werden sollen
", ebd., S. 149f.
Die „Artikel" des Bundschuhs in Rosenkranz, Bd. 2 (wie Anm. 1), S. 145 (Nr. 21), 183 (Nr. 64), 186f.
(Nr. 66), 190f. (Nr. 69), 194 (Nr. 69) und 226 (Nr. 107). S. dazu o. S. 69.
So Jakob Huser, ebd., S. 190 (Nr. 69).
„Eine fünfprozentige Abgabe sollte nicht als Zins, sondern als Tilgung gelten." Franz (wie Anm. 1), S.
82.
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