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den drei Lebenden begegnen unversehens den drei Toten. Die Lebenden sind nicht beritten
und werden auch nicht durch ein Friedhofskreuz von den drei Toten getrennt. Diese beiden
Beobachtungen sind untrügliche Anhaltspunkte für die im alemannisch geprägten Elsass übliche
Malweise, während es im Gegensatz dazu innerhalb der damaligen Grenzen des Königreichs
Frankreich üblich war, dass die Lebenden sich mit ihren Pferden nähern und dass die
beiden Gruppen der Lebenden und der Toten durch ein Friedhofskreuz getrennt werden.
Die Lebenden sind herrschaftlich gekleidet; zumindest zwei von ihnen tragen unterschiedlich
geformte Kronen. Die in Leichentücher gehüllten Toten sind ebenfalls gekrönt. Bei den
Lebenden ist eine Altersfolge zu erkennen: Der Erste wirkt noch jugendlich, während der Mittlere
älter ist und einen Backenbart trägt; der Letzte soll offensichtlich durch Kleidung, Zepter
und Ordenskette als Ranghöchster der Edelleute gekennzeichnet werden. Über den Gestalten
sind verschlungene Spruchbänder zu erkennen, auf denen bei der Wiederentdeckung nur noch
die zitierten Wortreste in alemannischer Sprache zu lesen waren. Bemerkenswert ist, dass die
Szene der „Drei Lebenden und der drei Toten" in das erste Viertel des 16. Jahrhunderts datiert
wird; sie könnte also gleichzeitig mit dem 1860 zerstörten Kientzheimer Totentanz an der
benachbarten Friedhofsmauer entstanden sein, dessen Entstehungszeit für das Jahr 1517 überliefert
ist.
Totentanz von Brigachtal-Kirchdorf/Schwarzwald-Baar-Kreis (1616/17) 6
In der ehemaligen katholischen Pfarrkirche St. Martin in Kirchdorf, heute zur Gemeinde Brigachtal
im Schwarzwald-B aar-Kreis gehörend, sind bei der letzten Restaurierung (1986-1991)
die Fragmente von Wandbildern des 17. Jahrhunderts freigelegt worden. Dabei handelt es sich
um ein zusammenhängendes Bildprogramm, das in den Jahren 1616 und 1617 an der Nord-
und Südwand in drei horizontal verlaufenden Registern ausgeführt worden ist. In der oberen
Bildzone unterhalb der Decke war ein Totentanz dargestellt, von dem heute nur noch geringe
Reste erhalten sind, teils durch die im 18. Jahrhundert gebrochenen größeren Fenster zerstört,
teils durch zahlreiche Hacklöcher beeinträchtigt, mit denen die Handwerker des 19. Jahrhunderts
ihren neuen Putz verfestigen wollten.
In der mittleren Bildzone war das sogenannte „Apostelcredo" (credo Apostolorum) zu sehen
, bei dem jedem Apostel ein bestimmter Artikel des christlichen Glaubensbekenntnisses
zugeordnet ist. In Kirchdorf sind von diesem Zyklus der Apostel mit einem Glaubensartikel
über den Köpfen nur noch fünf Apostel fragmentarisch erhalten: auf der Nordwand Bartholomäus
, Matthäus, Judas Thaddäus und Matthias, auf der Südwand Philippus.
Haut-Alsace, Paris 1982, S. 126-131; Bruno Stehle: Der Totentanz von Kientzheim im Ober-Elsass, in:
Jahrbuch für Geschichte, Sprache und Literatur Elsass-Lothringens, XV. Jahrgang, Straßburg 1899, Seite
92f. (mit Abbildungen); Sigmund Billing: Geschichte und Beschreibung des Elsasses und seiner Bewohner
, Basel 1782, S. 143.
Ergänzung zu Wehrens, Schau-ins-Land (wie Anm. 1), S. 48 nach Nr. 22 und Wehrens, Monografie
(wie Anm. 1), S. 198 nach Nr. 25.
Hannes Eckert u.a.: Zur Bau- und Kunstgeschichte von St. Martin, in: Kleiner Führer durch die Kirche
St. Martin in Kirchdorf/Brigachtal, hg. von Walter Mackert, Brigachtal 2000, S. 2-59, hier S. 24-32;
Peter Schmidt-Thome: Die katholische Pfarrkirche St. Martin in Kirchdorf, Gemeinde Brigachtal, in:
Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1978/4, S. 150-155; Ders.: Die katholische Pfarrkirche St. Martin
in Kirchdorf, Gemeinde Brigachtal, in: Mitteilungen für Mitglieder und Freunde der Gesellschaft für Altertum
und Brauchtumspflege Brigachtal 1 (1979), S. 18-21.
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