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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2013/0090
Rheins zusammenbrach, begab sich Jacob Grimm in die Dienste des restituierten Kurfürsten
von Hessen. Am 23. Dezember 1813 wurde er zum hessischen Legationssekretär (Abb. 1) ernannt
und gleichzeitig zur Teilnahme an einer Gesandtschaft bestimmt, die in Paris die hessischen
Kunstschätze zurückfordern sollte, die während der französischen Besatzungszeit aus
Kassel verschleppt worden waren. Dem Legationssekretär kam protokollarisch nach dem Gesandten
der zweite Rang zu, er hatte Verhandlungen zu führen und vor allem den Schriftverkehr
zu übernehmen. Jacob nutzte diese Reise zur Pflege von Kontakten, zur Suche nach altdeutschen
Handschriften und Hinweisen auf Volkserzählungen. Die Reiseroute verlief über
Frankfurt und Darmstadt, am 6. Januar überschritt die Delegation die Grenze nach Baden und
gelangte nach Weinheim, einem badischen Landstädtchen von Langeweile. Heidelberg gefiel
Jacob Grimm hingegen viel beßer, ich wäre gern mehrere Tage lang dageblieben, Karlsruhe
mit seinen klassizistischen Neubauten im Weinbrennerstil erschien ihm anmuthig. In Karlsruhe
traf er mit Johann Peter Hebel zusammen, der etwa so aussieht, wie er aussehen muß, wie
Jacob mit der ihm eigenen Schärfe im Urteil in einem Brief an seinen Bruder vom 9. Januar
bemerkte.6 Dem Autor der 1803 erschienenen , Alemannischen Gedichte' und fleißigen Kalendermacher
waren, wie Grimm erfuhr, die , Kinder- und Hausmärchen' bis dahin unbekannt
geblieben, und Volkslieder im Dialect, sagte er, gäb' es keine. Hier trafen sehr unterschiedliche
Vorstellungen aufeinander, Hebels Äußerung ist eine klare Absage an Grimms Konzept
der „Volkspoesie". Dennoch führte ihn Hebel in die Karlsruher Gesellschaft ein und gab ihm
vor seiner Abreise Empfehlungsschreiben mit, die ihm in Freiburg, Basel und Straßburg weite-
re Türen öffnen sollten. Am 10. Januar, Karlsruhe war schneeweiß, wollte Grimm auf der
Bibliothek nach Handschriften suchen. Er fand unter 500 Klosterhandschriften mitten in großer
Kälte einen ,TitureV auf Pergament (leider von 1431, aber complett) und noch anderes
von weniger Bedeutung? Die Handschrift mit dem Jüngeren Titurel' war Anfang des Jahres
1807 aus dem Kloster St. Peter nach Karlsruhe gelangt; Abt Philipp Jakob Steyrer hatte sie
1763 für das Kloster erworben.9 Eine Lesart zu einem Problem, das ihn eben beschäftigte, no-

Werner Moritz: Jacob Grimm in Paris, in: 200 Jahre Brüder Grimm. Reden zum Jubiläum. Hanau 1985-
1986 (Hanau 7), Hanau 1986, S. 119-146, hier S. 131-137; Guillaume Nicoud: „Die Zukunft Europas
wird wesentlich von der Klugheit zweier Nationen abhängen ..." Die Brüder Grimm und Frankreich, in:
Expedition Grimm (wie Anm. 1), S. 29-35, hier S. 32; Die Brüder Grimm. Dokumente ihres Lebens und
Wirkens, hg. von Dieter Hennig und Bernhard Lauer (200 Jahre Brüder Grimm 1), Kassel 1985,
S. 193-195; Thorsten Smidt: Der Kunstraub in Kassel. Kehrseite und Konsequenz des napoleonischen
Modernisierungsprojekts, in: König Lustik (wie Anm. 4), S. 38-45.

6 An Wilhelm Grimm, 879. Januar 1814, Briefwechsel (wie Anm. 2), Nr. 125 - Teil 1, S. 256-258; Teil 3,
S. 157-159. Über die Beziehungen der Brüder zu Hebel Stefan Sonderegger: Johann Peter Hebel als
Mundartdichter im Umkreis der Brüder Grimm (Aus der Schriftenreihe des Hebelbundes Lörrach e.V. 34),
Lörrach [1985].

7 An Wilhelm Grimm, 12. Januar [1814], Briefwechsel (wie Anm. 2), Nr. 126 - Teil 1, S. 259-261; Teil 3,
S. 159f.

Wie Anm. 6 und 7; eines dieser Empfehlungsschreiben vom 12. Januar in: Die Brüder Grimm (wie Anm.
5), Nr. 123, S. 193.

Badische Landesbibliothek Karlsruhe, St. Peter perg. 29. Vgl. Felix Heinzer/Gerhard Stamm: Die
Handschriften von St. Peter im Schwarzwald, Bd. 2: Die Pergamenthandschriften (Die Handschriften der
Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe 10.2), Wiesbaden 1984, S. 71 f.; Albrechts von Scharfenberg
Jüngerer Titurel, Bd. 1 (Strophe 1-1957). Nach den ältesten und besten Handschriften kritisch hg. von
Werner Wolf (Deutsche Texte des Mittelalters 45), Berlin 1955, S. LXXII f.

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