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Abb. 1 Lungensanatorium um 1915 (aus: Sanatorium St. Blasien, Freiburg ca. 1915).
In St. Blasien
Am 4. Dezember 1921 kam Gorki zusammen mit Sohn Maxim, dessen Ehefrau Timoscha und
dem Maler Rakicki in St. Blasien an. Das dortige Lungensanatorium (Abb. 1) hatte ihm ausgerechnet
Lenin bereits 1913 als eines der exzellenten deutschen Sanatorien empfohlen, das in
der Lage ist, Lungenaffektionen vollständig zu heilen; man erreicht dort komplette Vernarbung
der Herde, indem man die Patienten aufpäppelt und sie systematisch an die Kälte gewöhnt, so
härtet man sie ab und kann sie kräftig und arbeitsfähig entlassen.5 Keine Werbeschrift hätte
das therapeutische Konzept der 1882 von Dr. Haufe nach dem Modell des Davoser Höhensanatoriums
begründeten St. Blasier „Heilanstalt für Lungenkranke" besser formulieren können.
Im Zentrum der Behandlung stand die Klimatherapie, die eine tägliche, mehrstündige Liegekur
sowie dem Zustand des Patienten angepasste Spaziergänge vorsah. 1906 war hier bereits
die Mutter der Dichterin Marina Zwetajewa behandelt worden. Dr. Sanders, der Nachfolger
Haufes, hatte dessen Aufnahmepraxis jedoch geändert:6 Infauste Endstadien der Lungentuberkulose
sollten künftig nicht mehr in St. Blasien behandelt werden, also legte man der Patientin
nahe, sich besser in Yalta behandeln zu lassen. Seit 1914 leitete Prof. Bacmeister das Sanatorium
, er konnte nachweisen, dass auch außerhalb der Schweizer Hochgebirgsverhältnisse die
gleichen Heilerfolge zu erzielen seien. Den für die Liegekur unentbehrlichen Fellsack musste
sich Gorki für 2.600 Reichsmark besorgen (damals war es üblich, „eindeutig als solche zu i-
dentifizierende Ausländer" einen Aufschlag von 50 bis 100 % zahlen zu lassen), schon die Anfahrt
von Freiburg her hatte ihn 1.250 RM gekostet. Zweimal am Tag müsse er jeweils zwei
Wladimir I. Lenin: Collected Works, Bd. 35, Moskau 1976, S. 112f.
Sigard Adolphus Knopf: Les Sanatoria, Paris 1900, S. 179.
Claude Delay: Marina Tsvetaeva. Une ferveur tragique, Paris 1997, S. 69: Le Sanatorium ne veut plus
une incurable.
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