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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2013/0118
10 Pferdeminuten von Freiburg entfernt (Abb. 3). Einige Tage nach der Ankunft erwähnt
Gorki seinen Freund Anton Tschechow, der hier in der Nähe wohnte, aber nicht lange, er

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starb, weil für ihn der Ort vermutlich zu ungewohnt war.

Schon nach kurzer Zeit schlug die anfänglich gute Stimmung um: Meine Gesundheit hat
sich offensichtlich völlig verschlechtert: Erneut habe ich wieder meine Bronchitis mit teuflisch
starkem Husten, Fieber, Kopfschmerzen und Atemnot. Und das Wetter ist miserabel und
schändlich: Es regnet jeden Tag, das Heu verfault. Die Deutschen schauen finster zum Himmel
und werden demnächst wohl zu Atheisten. Ich möchte unbedingt arbeiten, aber mein

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scheußliches Unwohlsein hindert mich daran. Auch „Moura" wurde wegen des kalten
Wetters wütend und völlig unzugänglich. Anfang Juli war diese Krise jedoch vorüber, die
Sonne schien nach deutscher Art richtig tüchtig und ich werde gesund und gesünder, bin schon
dick geworden und habe eine gesunde Gesichtsfarbe bekommen. Der ihn behandelnde Arzt,

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sehr wahrscheinlich Dr. Levi, ein guter Arzt, wollte keine Bezahlung. Gorki hatte vor, ihn
mit seinen Büchern zu entschädigen, deren deutsche Übersetzung aber im Verlag Kurt Wolff
noch immer nicht erschienen war. Die Briefe verraten nichts darüber, ob Gorki in Günterstal
auch nur im Entferntesten eine der Therapieprinzipien befolgte, wie sie ihm erst- und letztmals
in St. Blasien abverlangt worden waren.

Trotz erneut unfreundlichen Wetters erhielt Freiburg im August ein Lob: Hier ist es sehr
regnerisch, zwar ein bisschen kalt, aber trotzdem gut! Freiburg hat mich bezaubert. Wie viel
ist hier zu spüren von den alten, geschmackvollen Zeiten, und wie sorgsam und mit welcher
Liebe die Deutschen hier die Spuren der Vergangenheit pflegen!38 Gorki nannte als Beispiele
natürlich den Münsterturm und die teilweise auch unanständigen Wasserspeier.

Die autobiografischen Romane waren mittlerweile abgeschlossen. Nun ging es Gorki vor
allem um seine literarisch-wissenschaftliche Zeitschrift „Beseda" („Das Gespräch"), für die er
Beiträge unter anderem von Stefan Zweig, Romain Rolland und emigrierten russischen
Autoren erhielt, während die vorgesehenen Texte sowjetischer Schriftsteller auf dem Postweg
verloren gingen. Das Projekt, die Zeitschrift auch in der Sowjetunion erscheinen zu lassen,
wurde zu seiner Erbitterung von den Behörden unterbunden, 1925 musste „Beseda" eingestellt
werden. Unterdessen war Gorki fast gesund geworden, nur in der linken Lunge pfeift es noch
etwas. Tatsächlich wurde der ominöse Bluthusten während des Freiburger Aufenthalts nicht
mehr erwähnt und sollte erst nach der Abreise erneut auftreten. Gorkis Sohn Maxim suchte in
dieser Zeit für die Großfamilie eine Wohnung am Berliner Stadtrand, hatte dabei aber keinen
Erfolg. Gorki lud ihn und Timoscha daraufhin nach Günterstal ein. Sein Blick auf die
Günterstäler war mittlerweile kritischer geworden, wie die satirisch-drastische Schilderung
eines Tanzabends im Hotel Kyburg zeigt: Obwohl die hiesigen Deutschen besser als die
Preußen sind, haben sie etwas Grobes an sich. Oh Gott, was sie nicht alles in unserem Hotel
an den Samstagen anstellen. Der Mann umarmt mit Vorliebe eine dickschenklige Frau, drückt
sie eng an sich und malträtiert ihr mit den Knien den Unterleib. Sie sind überzeugt, daß sie
dabei einen Tanz vollführen. Wenn man aber durch das Fenster zuschaut, die Musik nicht hört
und dieses lautlose Geschehen betrachtet, könnte man eher meinen, es handle sich dabei um

Gorki (wie Anm. 14), S. 195.
Ebd., S. 201.

Ebd., S. 219. Dr. Levi wurde 1936 gezwungen seine Praxis aufzugeben. Im August 1942 wurde er mit
seiner Frau in das KZ Theresienstadt deportiert und verhungerte ein halbes Jahr später. Siehe hierzu den
Beitrag von Peter Künzel „Aw/behördliche Weisung eröffnen wir Ihnen ... Die Deportation der jüdischen
Bürger Freiburgs nach Theresienstadt am 21. August 1942 - Ein Beitrag zum 50. Jahrestag" in dieser
Ausgabe des „Schau-ins-Land".
Gorki (wie Anm. 14), S. 225.

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