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aktiven Dienst während des Weltkrieges tätig - einen vorläufigen Aufschub. Mit der Verordnung
vom 17. Mai 1934 fallen dann auch die Sonderregelungen weg; das bedeutet, dass der
jüdische Arzt auf den Besuch einer privaten Klientel angewiesen ist, um überhaupt noch Einkommen
zu erzielen.17

Mit dem Ende des Jahres 1936 schließt Levi seine ärztliche Praxis in der Karlstr. 2. Die
Erträge sind zu gering geworden. Es bleibt das bittere Gefühl, dass eine derart rigide Gesetzgebung
nur vor dem Hintergrund einer Gesamtärzteschaft erfolgen konnte, die in ihrer Mehrheit
gewillt war, die jüdischen Konkurrenten zu eliminieren und sich für diesen Zweck der NS-
Ideologie andiente.

Auswanderung also? Bis Anfang 1939 ordnen sich Levis mit aller Kraft den Emigrationswünschen
ihrer Kinder unter; deren Sicherheit hat absolute Priorität. Heinz, 1936 nach Palästina
, und Ernst, 1939 (1936?) nach Kapstadt geflüchtet, werden mit hohen Summen bei ihrer
Existenzfindung unterstützt. Für Elisabeth und ihren jüdischen Ehemann Dr. Felix Harry, die
ab 1924 in Wiesbaden eine gemeinsame Praxis betreiben, springen Levis für einen längeren
Zeitraum als großelterliche Betreuer der 8-jährigen Enkelin Lore (Harriet) ein, die nach Freiburg
übersiedelt. Mutter Elisabeth muss in dieser Zeit alle Anstrengungen unternehmen, den in
einem Wiesbadener Gefängnis inhaftierten Ehemann freizubekommen und die nötigen Papiere
für alle zu einer Flucht in die USA zu besorgen. Glücklicherweise gelingt die Emigration im
Februar 1939 von Le Havre aus nach New York.

An ihre Freiburger Zeit erinnert sich Harriet später: Mein Großvater war sehr nett und liebevoll
zu mir. Er tröstete mich, als ich weinte, weil ich nicht mehr zur Schule gehen konnte,
denn meine Klassenkameraden warfen Steine nach mir und anderen Juden. Er ging mit mir

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spazieren, lehrte mich das Multiplizieren und gab mir Bücher, die ich zu Hause lesen konnte.

Emigration also jetzt, wo alle Angehörigen gerettet sind? Alle Vorbereitungen deuten auf
dieses Ziel hin. Am 9.12.1938 verkaufen Levis ihr Haus Karlstr. 2 (Abb. 3) für 67.000 RM an
zwei Privatleute aus Kirchzarten, 10 Tage später ihren anderen Immobilienbesitz Kandelstr. 24
an den Großschlächter Eugen Moll aus der Freiburger Turnseestr. 57. Beide Summen müssen
einem Sperrkonto zugeführt werden, über welches der Inhaber nicht frei verfügen kann. Sie
ziehen in eine kleine Wohnung in der Mozartstr. 14. Zwar hängen beide Verkäufe mit den gewaltigen
Zahlungen zusammen, die allen Juden im Gefolge der Reichspogromnacht als „Judenvermögensabgabe
" (JVA) auferlegt werden, und obendrein all denjenigen, die den
„Wunsch" haben auszuwandern. Allein die JVA schlägt bei Levis mit 20.000 RM zu Buche.
Aber zeitgleich mit diesem Betrag, der ab Jahresbeginn 1939 in 5 Raten fällig ist, konkretisieren
sich Pläne, welche die eigene Emigration im Blick haben. Im Januar 1939 richtet Levi ein
Bittschreiben an das Finanzamt Freiburg, ihm und seiner Ehefrau eine Unbedenklichkeitsbescheinigung
für die Ausstellung eines Reisepasses zwecks Emigration nach Südafrika zu gewähren
. Im März schreibt die Deutsche Bank Freiburg an das Finanzamt: Wir teilen Ihnen
höflich mit, dass wir auf dem Konto von Herrn Dr. Levi [...] einen Betrag von RM 20.000 für
Reichsfluchtsteuer zu Ihren Gunsten gesperrt haben. Wir bitten Sie, hiervon Kenntnis zu nehmen
. Heil Hitler!19 Wenige Tage später begleicht Levi diese „Steuerschuld" in Höhe von
18.924,25 RM. Drei Wochen danach gibt der Steuerfahndungsbeamte Bärenwald den Ausreisewilligen
endgültig grünes Licht: Bei der Auswanderung sollen Möbel, Kleider, Leib- und

Brucher-Lembach (wie Anm. 16), S. 35. Zur Ausgrenzung der jüdischen Ärzte auf dem Verordnungsweg
siehe Susanne Breisinger: Die niedergelassenen jüdischen Ärzte in Freiburg 1933-1945. Eine Untersuchung
zur nationalsozialistischen Berufs- und Standespolitik, Freiburg 2002, S. 8ff.

Aus einem Brief der Enkelin Harriet Seymour an Susanne Breisinger vom 1. September 1994, StadtAF, M
2/127a Nr. 85/1.
Wie Anm. 14.

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