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nächstes würden für uns keine Plätze mehr zu haben sein. Mit viel Mühe und dem Hinweis
darauf, dass wir schon so alt seien und zu befürchten sei, dass wir unsere Kinder nicht mehr
erreichen könnten, hat er es durchgesetzt, das sie wenigstens nach Lissabon kabelten, ob durch
Zufall doch noch für uns Plätze zu haben seien zu einem früheren Termin; ebenso hat er an das
Consulat nach Stuttgart geschrieben, sie möchten doch endlich mitteilen, ob Euer Affidavit of
Surety genügt. Ihr seht also, wie schwierig und umständlich alles vonstatten geht.
Und am 23. September 1941: Ich fürchte, dass es mit unserer Auswanderung nichts werden
wird, da ein amerikanischer Consul im neutralen Ausland die Visa zu erteilen hätte. Die Erlaubnis
dazu wird wohl kaum zu bekommen sein. Auf unseren Umzug ist mir etwas bange. Ich
bin überhaupt wegen allem, was uns widerfahren, sehr bedrückt?®
Dramatische Augusttage
Bereits einen Tag nach Erhalt des Einschreibebriefes vom 15. August bekamen Adolf und
Pauline Besag den angekündigten Besuch aus Karlsruhe. Es waren die Herren Fleischhauer
und Alexander, von Karl Eisemann nach Freiburg entsandt. In seiner Eigenschaft als Leiter der
Bezirksstelle Baden-Pfalz der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland war dieser für die
organisatorische Durchführung der von Baden ausgehenden Transporte verantwortlich. „Die
Gestapo übersandte dieser Stelle die Liste der von der , Abwanderung' Betroffenen einschließlich
der für den Transport erforderlichen Anweisungen. Eisemanns Behörde hatte daraufhin die
Opfer zu unterrichten und am Tag der vorgesehenen ,Abreise', wie der Transportbeginn von
der Bezirksstelle arglos oder in bewusster Zurückhaltung bezeichnet wurde, für die Verpflegung
und ordnungsgemäße Abwicklung zu sorgen.4'31
Sigmund Alexander und Herbert Heischhauer zählten zum Kreis der wenigen jüdischen
Mitarbeiter Eisemanns, die jetzt alle Betroffenen zu besuchen hatten. Dabei trafen sie zunächst
auf die schockartige Bestürzung, unter der noch alle angesichts ihrer unmittelbaren Ausweisung
standen; sodann galt es, die zahlreichen Modalitäten, von welchen im Brief im Zusammenhang
mit der Deportation die Rede war, zu interpretieren; und schließlich - wichtigster
Punkt - musste über Vermögenswerte entschieden werden, die als zukünftige Existenzgrundlage
der „Abreisenden" eingesetzt werden sollten.
Erklärungsbedürftig war zunächst der Passus I des Rundschreibens, wonach Ihr gesamtes
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Vermögen [...] beschlagnahmt [ist]. Ein solcher Zugriff auf das Eigentum erfolgte bisher nur,
wenn ein Jude mit Wohnsitz im Ausland ausgebürgert wurde. Da das Protektorat, und mithin
Theresienstadt, aber nicht als Ausland galt, erklärte ein Erlass vom 30. Juni 1942 global, „daß
die Juden, die man nach Theresienstadt abzuschieben' gedachte, per definitionem volks- und
staatsfeindlichen Bestrebungen anhingen" und eine Beschlagnahme staatspolizeilich rechtens
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sei.
Briefe von Josef und Sophie Levi an Elisabeth Harry in den USA, Nachlass Breisinger (wie Anm. 18).
Stolle (wie Anm. 22), S. 384.
Wie Anm. 1.
Michael Zimmermann: Die Gestapo und die regionale Organisation der Judendeportationen. Das Beispiel
der Stapo-Leitstelle Düsseldorf, in: Die Gestapo - Mythos und Realität, hg. von Gerhard Paul und
Klaus-Michael Mallmann, Darmstadt 1995, S. 357-372, hier S. 370.
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