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Wohnzimmerbuffet bis zum Kohlevorrat. Gerade weil aber enge Vorschriften den Umfang des
Gepäcks auf einen Gegenstand, Koffer oder Rucksack, eingrenzten, ein Merkblatt dagegen
nahelegte, möglichst viele Dinge des täglichen Bedarfs mitzunehmen, waren Entscheidungen
in diesem Bereich viel schwieriger zu treffen als bei finanziellen Fragen. Wusste man denn im
Vorhinein, was am fernen und unbekannten Ort am notwendigsten war? Und was war unverzichtbar
im Blick auf ihre vom Alter her doch fragile Gesundheit? Schon im Rundschreiben
hatte Karl Eisemann die Abreisenden auf dieses Problem hingewiesen und sie um Vorarbeit
gebeten. Die Fahrtteilnehmer erleichtern sich und unseren Mitarbeitern die Arbeit, wenn sie
sich alsbald nach Empfang dieses Schreibens darüber schlüssig werden, welche Gegenstände
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sie mitnehmen. Sicherlich wurde gerade hier in banger Erwartung dem Ratschlag der Karlsruher
Herren entgegengesehen. Dem Finanzamt Freiburg diente die „Vermögenserklärung44
indes als Grundlage aller Enteignungen sowie der sich in Kürze anschließenden Versteigerungen
.
Am Morgen des 21. August 1942, einem Freitag, erschienen Beamte des Gestapo-
Unterbezirks Freiburg in der Schlageterstr. 26. Josef und Sophie Levi wurde mitgeteilt, dass
sie auf der Stelle verhaftet seien. Man bedrängte sie, in aller Eile ihr letztes Gepäck zusammenzuraffen
und sich reisefertig zu machen, um rechtzeitig am Hauptbahnhof zu sein. Der
fahrplanmäßige Zug nach Karlsruhe mit dem Sonderwagen für die jüdischen „Abwanderer44
fahre um 10.48 Uhr von Freiburg ab; zuvor müsse auf dem Bahnhofsgelände noch eine zeitaufwendige
Gepäckkontrolle erfolgen (Abb. 5 und 6).
Die anderen jüdischen Bewohner im Haus, Ida Reiss und Bernhardine Süssmann, erfuhren
dieselbe rüde Behandlung. Obwohl alle über den Verlauf dieses Tages informiert wurden, waren
sie jetzt von der Unerbittlichkeit der Ereignisse wie betäubt. Während der gesamten Tage
hatten sie schon in äußerster Anspannung gelebt. Am Anfang war Emil Homburger bereits
einmal vorbeigekommen, als Rechtsanwalt wegen seiner jüdischen Herkunft mit Berufsverbot
belegt, doch in „privilegierter Mischehe44 lebend; seine Anwesenheit als Berater, wo Abtretungsverträge
im Zusammenhang mit dem „Heimeinkaufsvertrag44 geschlossen werden muss-
ten, hatte noch zu Beginn der Woche für eine gewisse Beruhigung gesorgt. Dann war er darum
bemüht, dass die Abmeldung der Betroffenen bei allen Ämtern (Finanzamt, Ernährungsamt
etc.) korrekt und rechtzeitig vonstatten ging- Jetzt war er a^s Helfer herbeigeeilt, um überlebenswichtige
Fragen mitzuentscheiden. 7 Auch Nathan Rosenberger traf am Hauptbahnhof
ein; am 20.1.1941 war er von Eisemann mit der Funktion des Bevollmächtigten für den Bezirk
Freiburg und Oberbaden betraut worden, der Aufgabe also, die Belange der Freiburger Jüdischen
Gemeinde gegenüber den Behörden zu vertreten. Nun stand er selbst mit der gesamten
Familie auf der Deportationsliste; doch ließ er es sich nicht nehmen, seinen Gemeindemitgliedern
Trost und Mut zuzusprechen. Am gleichen Morgen war bei allen das gesamte Bettzeug,
eine dreiteilige Matratze inbegriffen, abgeholt worden. Eine Transportfirma hatte den Auftrag
bekommen, alle größeren Gepäckstücke einzusammeln und sie dem Deportationszug in Karlsruhe
zuzuführen; bereits am Dienstag musste alles gekennzeichnet und transportbereit verpackt
sein.
Dokumente über die Verfolgung (wie Anm. 2), S. 341.
Eisemann hatte im Vorfeld eine Liste mit zahlreichen Vorschlägen und Fragen zusammengestellt, über
welche im Zusammenhang mit dem Abtransport nach Theresienstadt zu entscheiden war. Sie war den Mitarbeitern
Alexander und Fleischhauer mitgegeben, aber auch an Dr. Homburger als Vertrauensmann bei
der Freiburger Jüdischen Gemeinde versandt worden, ZEGJ, B1/19-333.
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