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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2013/0166
Sublimierung von Gewaltanwendung durch ihre Inszenierung und dadurch Zivilisierung und Kontrolle
der sozialen Gruppe am Hof, die sich vorrangig durch Gewaltanwendung definierte" (S. 387).
Ein Orts- und Personenregister (S. 389-406) schließen ein Buch ab, das eine Herausforderung nicht
nur an die Geschichtskenntnisse, sondern auch an die verbreiteten Wahrnehmungen der Ritterschaft
stellt. Marco Leonardi

Heiko Haumann: Lebenswelten und Geschichte. Zur Theorie und Praxis der Forschung, Böhlau
Verlag, Wien u.a. 2012, 533 S., Abb.

Heiko Haumann: Schicksale. Menschen in der Geschichte. Ein Lesebuch, Böhlau Verlag, Wien
u.a. 2012, 468 S., Abb.

Von Heiko Haumann, inzwischen emeritierter Professor für Osteuropäische und Neuere Allgemeine
Geschichte an der Universität Basel, sind 2012 zwei Bände erschienen, die - nicht nur aus dem
identischen Vorwort zu schließen - als Einheit zu sehen sind. In beiden ist das Individuum Mittelpunkt
, über das Geschichte sichtbar und verstehbar gemacht wird. Bei „Lebenswelten und Geschichte
" (künftig L: ) steht der theoretische Ansatz im Vordergrund der 25 Abhandlungen, um methodische
Verfahren beim Umgang mit Erinnerungen, Selbstzeugnissen und Interviews zu erarbeiten
. Erinnerungen habe man - wie jede Quelle - kritisch zu prüfen, da sie bereits beim Speichern
im Gedächtnis des Betreffenden zur veränderbaren Erfahrung werden (L: S. 85 und 100). Haumann
fordert eine „lebensweltlich orientierte Forschung" (L: S. 137), die auch seine eher methodischen
Erörterungen durch eingefügte „Lebensgeschichten'4 zur interessanten Lektüre macht.

Im Band „Schicksale" (künftig Sch:) befasst sich der Autor in 21 Beiträgen und 10 Miniaturen
mit der Lebenswelt einzelner Menschen, ein mikrohistorischer Ansatz, der die lange in Deutschland
vernachlässigte Alltagsgeschichte mit der Sozialgeschichte verbindet. Noch 1988 wurde Alltagsgeschichte
hier als romantisierende Idylle der Heimat gesehen und nur wenige Historiker befassten
sich mit der Lebenswelt eines „konkreten" Menschen (L: S. 35ff.). Mit der „lebensweltlich orientierten
Regionalgeschichte" und der „oral history" wurden später neue Wege gefunden, die Schicksale
von Menschen zu erforschen und gleichzeitig die Individualgeschichte mit der Gesellschaftsgeschichte
zu vereinen. Heute, 25 Jahre später, ist eine solche „integrierte Geschichte" eine conditio
sine qua non, die u.a. auch vom Arbeitskreis Regionalgeschichte Freiburg e.V. vertreten wird
(L: S. 68f.).

In diesen beiden Publikationen hat Heiko Haumann bereits veröffentlichte und einige wenige
unveröffentlichte Aufsätze zusammengefasst, die aus seiner lebenslangen Beschäftigung mit der
Lebenswelt und den Schicksalen von Menschen hervorgegangen sind. Der zeitliche Bogen reicht
von 1977 bis etwa 2010. Die Abhandlungen selbst sind überwiegend im 19. und 20. Jahrhundert
verankert, mit Ausnahme der „Lebensformen im mittelalterlichen Freiburg" (Sch: S. 139ff.), die
zuvor in Band 1 der „Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau" veröffentlicht wurden.

In „Lebenswelten und Geschichte" liegt der Schwerpunkt auf der Erforschung und Interpretation
der Lebenswirklichkeit ostjüdischer Bevölkerung, ergänzt durch Aufsätze zu Juden in Freiburg,
Gailingen und Basel. Entscheidende Phasen der russischen Geschichte werden durch Selbstzeugnisse
konkreter Menschen nicht nur aufgelockert, sondern auch verdeutlicht. Haumanns Argumentation
bei der Auswertung von Tagebüchern überzeugt und deckt den Handlungsspielraum und die
Alternativen für den betroffenen Menschen auf (L: S. 106ff.). Nicht immer entspricht das Erinnerte
und Erzählte jedoch dem Erlebten. Auch bei Fotografien ist der Hintergrund, die Geschichte bzw.
Lebenswelt des/der Abgebildeten zu untersuchen, wie am Foto eines Paares, Ostzwangsarbeitern,
demonstriert wird (L: S. 143; Abb. auch auf der Rückseite des Bandes „Schicksale"). Der Zusammenhang
von Lebenswelt und Geschichte wird beeindruckend in der Abschiedsvorlesung Haumanns
deutlich (L: S. 159ff.). Meisterhaft schildert er, wie sich politische und wirtschaftliche Veränderungen
auf die innere und äußere Welt der Ostjuden auswirkten und wie deren Lebens Wirklichkeit
durch die Russische Revolution beeinflusst wurde. Untermalt im doppelten Sinn wird dieser
Beitrag von ausführlich kommentierten Bildern Marc Chagalls, der auf Grund seiner russischjüdischen
Herkunft die Zeiten des Umbruchs auf seinen Gemälden ergreifend darstellte.

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