http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2013/0177
Im Gegensatz zur Geschichte des Bauwerks selbst hatte die Geschichte der Bauhütte - also jener
Menschen, die das Bauwerk geplant und ausgeführt haben - noch keine eigene Publikation erfahren
. Zwar wurden das Thema und seine Einzelaspekte - Organisation, Finanzierung, Meister - natürlich
im Zusammenhang mit der Planungs- und Baugeschichte immer wieder beleuchtet oder in
Beiträgen zu Festschriften (etwa Hans Schadek in „100 Jahre Freiburger Münsterbauverein44 1990),
in der dreibändigen Stadtgeschichte (1992-96) oder in der genannten Gesamtdarstellung von 2011
besprochen, eine separate Darstellung fehlte bisher jedoch.
Diese Lücke füllt der im Umfang bescheidene aber umso inhaltsreichere Band der neuen Reihe
auf hervorragende Weise. Drei ausgewiesene Kennerinnen der Materie und „Insider" des heutigen
Betriebs, die für den Münsterbauverein tätigen Kunsthistorikerinnen Heike Mittmann und Stephanie
Zumbrink sowie Münsterbaumeisterin Yvonne Faller haben eine lebendige und vielschichtige
Arbeit abgeliefert, die nichts zu wünschen übrig lässt. Ein historischer Überblick zur Baugeschichte
bildet die Grundlage, es folgt eine Darstellung der Quellen, bei denen den erhaltenen Rissen zum
Münsterturm erfreulich breiter Raum gelassen wird. Hier findet sich nicht nur deren Beschreibung
und Einordnung, sondern auch eine kurze Darstellung der noch laufenden Diskussion in der Forschung
zu Fragen der Datierung und möglichen Autorschaft Erwins von Steinbach.
Die weiteren Kapitel des Bandes widmen sich der Verwaltung der Bauhütte, der Finanzierung
des Münsters, den Arbeitskräften - Baumeister, Steinmetzen und anderen Gewerken -, den Steinmetzzeichen
und ihrer Bedeutung, den Hüttengebäuden, den Steinbrüchen. Der Beschreibung des
mittelalterlichen Baubetriebs folgt die Darstellung der heutigen Arbeit der Münsterbauhütte. Hier
wie überhaupt bleiben die Fortführung des Betriebs in die Gegenwart, die Unterschiede wie die
Gemeinsamkeiten stets im Blick der Autorinnen. Die große Zahl und gute Auswahl der Bilder trägt
wesentlich zum positiven Gesamteindruck bei. Die stets gut lesbaren Artikel sind durch eine angemessene
Zahl von Anmerkungen erschlossen, die dem über die gebotene Information hinaus Interessierten
die weiterführende Beschäftigung erleichtern, ebenso wie ein ausführliches Literaturverzeichnis
. Das Buch „Die Münsterbauhütte" war nicht zuletzt eine hervorragende Grundlage für die
Arbeit an der großen Ausstellung „Baustelle Gotik. Das Freiburger Münster", die vom Augustinermuseum
Freiburg gemeinsam mit dem Münsterbauverein erarbeitet und Ende November eröffnet
wurde, kurz vor dem 500-jährigen Jubiläum der Weihe von Hochchor und Hochaltar am 4. und 5.
Dezember 1513. Peter Kalchthaler
Werner Heiland-Justi: Das Graduale des Klosters Wonnental bei Kenzingen, Kunstverlag Josef
Fink, Lindenberg 2012, 71 S., zahlr. Farb-Abb.
Gern vertieft man sich in die hervorragend reproduzierten Miniaturen des liturgischen Buches, das
Chorgesänge für den ersten Teil der Messe enthält. Der Autor erläutert die dem Kirchenjahr
folgende Gliederung, die Abbildungen, die Symbolik von Farben sowie leicht übersehene
Einzelheiten, etwa die Warnung des auferstandenen Jesus an Maria Magdalena: Rühre mich nicht
an! (S. 17). Dank der Transkription lateinischer Textteile kann der Leser sich in die Schrift einlesen.
Auch wichtige Fragen müssen mangels eindeutiger Quellen unbeantwortet bleiben; so wurde das
Graduale wohl um 1340-1360 geschaffen, wahrscheinlich in Wonnental.
Im Mittelpunkt des Buches steht eine Auswahl aus den 230 großen, reich verzierten Initialen; sie
zeigen liebevoll gemalte Personen und Szenen aus der Heils- und Kirchengeschichte; manche
dieser Anfangsbuchstaben wurden nachträglich eingeklebt. Mit einem Gespür für charakteristische
Einzelheiten geht der Autor auch auf das ein, was auf den Blatträndern zu entdecken ist:
Rankenwerk, Insekten, Fische, Vögel, jagdbares Wild (meist eindeutig männliche Tiere), Drachen,
Mischwesen und Fabeltiere, nicht zuletzt Frauen und Männer (kniend) sowie Wappen (erschlossen
als Quellen für die Geschichte des Breisgaus und benachbarter Regionen). Die Darstellung gewinnt
an Tiefenschärfe durch Abbildungen aus dem ebenfalls berühmten Graduale aus Katharinenthal in
der Schweiz und weitere Ergänzungen.
Die musikgeschichtliche Seite bleibt unberücksichtigt; dabei waren die Noten im vierlinigen
System für Sängerinnen und Sänger nun einmal (fast) so wichtig wie die Texte. Nicht weiter
schwer wiegen Verwechslungen (rechts und links, S. 14/15; Vigil und Fest) sowie die Schreibung
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