http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2014/0082
te.20 Die jährlich abzuführende Menge betrug übrigens rund 13,5 Millionen Liter menschlicher
und tierischer Fäkalien,21 welche durch das stetige Bevölkerungswachstum permanent anstieg,
ohne dass die ohnehin stark begrenzten Absatzmöglichkeiten im Umland sich erweiterten.22
Nachdem die Stadt kurzzeitig erwogen hatte, das Abfuhrgeschäft in eigener Regie zu betreiben
, übernahm ab Juni 1879 der Mechaniker Wilhelm Lederle diese Aufgabe gegen eine Gebühr
von 1,20 Mark pro Fass. Lederle stellte für diesen Zweck eigene Pumpen zur Verfügung, welche
das benötigte Vakuum mittels Dampfkraft erzeugten, was eine erheblich schnellere und billigere
Entleerung ermöglichte als die bis dahin per Handkurbel betriebenen Apparate. Jedoch auch hier
stellten sich bald die früheren Mißstände ein. Der Dünger konnte nur zum kleinen Theile verkauft
werden, weil die Behälter zur Aufbewahrung desselben viel zu klein waren und die Gebühr von
1 M. 20 Pf per Faß deckte die Kosten für das Ausheben und Abführen der Fäcalien kaum zur
Hälfte; die Folge davon war ein durchaus ungenügender Geschäftsbetrieb, im Winter 1880 waren
90 angemeldete Gruben im Rückstände und die Beschwerden über diesen Mißstand so groß wie
jemals.23
Endgültige Abhilfe des langwierigen Problems schien nun das Angebot von Gustav Adolph
Buhl und Friedrich Wilhelm Keller aus Karlsruhe zu schaffen, welche die Errichtung einer Fabrik
zur Gewinnung von sogenanntem ,,Poudrette"(-Dünger) jns Auge fassten. Es handelte sich hierbei
um ein Verfahren, bei welchem die Fäkalien zu Ammoniak sowie einem Düngepulver verarbeitet
wurden, welches gut lager- und transportfähig war.24
Ab 1881 produzierte die Firma Buhl & Keller in der Lehen[er]str. 28 in einer entsprechenden
Fabrik, welche allerdings 1886 bereits wieder Konkurs anmelden musste.25 Während
in der Fachliteratur jener Zeit das Konzept von Buhl & Keller positiv bewertet wurde, die
hohen Abfuhrkosten des Grundstoffes aus den Abortgruben jedoch als Hindernis für einen
gewinnbringenden Betrieb angesehen wurden,26 sah man in Freiburg den Grund in einem
Preisrückgang des Ammoniaks, zudem verlor die Landwirtschaft durch die Verarbeitung einen
werthvollen und billigen Dünger, der durch die theure Poudrette nicht ersetzt werden konnte.21
In der Tat überstiegen allein die Ausgaben für die Entleerung die Gebühreneinnahmen um
das Doppelte, was durch den Verkauf des Endproduktes nicht ausgeglichen werden konnte.28
Nachdem die Stadt der Forderung von Buhl & Keller nach einer deutlichen Erhöhung der
Vorlage des Stadtrathes 1887 (wie Anm. 6), S. 7. Die in die Bäche entsorgte Menge betrug allein im
Sommer 1875 mehr als 800.000 Liter, vgl. Kast (wie Anm. 2), S. 56.
21 Vgl. Kast (wie Anm. 2), S. 54.
22 Vgl. ebd., S. 55f.
23 Vorlage des Stadtrathes 1887 (wie Anm. 6), S. 8.
Eine Beschreibung des von Buhl & Keller entwickelten Verfahrens bei Eduard Heiden/Alexander
Müller/Karl von Langsdorff: Die Verwerthung der städtischen Fäcalien, Hannover 1885, S. 73-77;
J. König: Die Verunreinigung der Gewässer, deren schädliche Folgen, nebst Mitteln zur Reinigung der
Schmutzwässer, Berlin 1887, S. 208f.
Zur Geschichte der Poudrettefabrikation siehe Gottfried Hösel: Unser Abfall aller Zeiten. Eine
Kulturgeschichte der Städtereinigung, München 1987, S. 200-205. Auch die Poudrettefabriken in anderen
Städten stellten meist ihren Betrieb nach wenigen Jahren wieder ein. Lediglich jene in Kiel produzierte
bis in die 1930er-Jahre, ebd., S. 203.
Vgl. Johann Heinrch Vogel: Die Schicksale der Fäkalien aus nicht kanalisierten Städten, in: Handbuch
der Hygiene, Bd. 2: Die Städtereinigung, hg. von Theodor Weyl, Jena 1897, S. 310-325, hier S. 320.
27 Vorlage des Stadtrathes 1887 (wie Anm. 6), S. 8.
Vgl. ebd., S. 8f. Buhl & Keller erhielt 1 Mark für die Abfuhr von einem Fass zu 1.600 Litern (Vertragszusatz
vom 1.3.1881, StadtAF, Cl Polizeisachen 10 Nr. 5), und verkaufte 50 Kilogramm Poudrette zum Preis von
3 Mark (vgl. Oberrheinischer Kurier vom 2.10.1883, Nr. 229).
80
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2014/0082