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bis 1876 stieg die tägliche Wasserversorgung der Stadt von zwei auf neun Millionen Liter an.42
Besonders durch den raschen Anstieg der Zahl der damals neu aufkommenden Wasserklosetts,
gerieten die vorhandenen Gruben immer schneller an ihre Fassungsgrenzen. So waren im Jahr
1885 bereits 1.962 der rund 2.750 Häuser in Freiburg an das Wasserleitungsnetz angeschlossen,43
drei Jahre später bereits 2.320 von rund 3.000.44 Die Anzahl der privaten Wasserklosetts betrug
etwa 30 im Jahr 1876,45 3.000 im Jahr 1889 und 11.510 bereits zehn Jahre später.46 Dabei
wurde mit dem Wasser recht großzügig umgegangen: Im Jahr 1898 lag der durchschnittliche
Verbrauch pro Einwohner bei täglich 286 Litern47 - fast dreimal so viel wie heute. Eine wachsende
Wasserversorgung erforderte also eine ebensolche Abwasserentsorgung, da in Folge der
Einführung der Wasserciosets etc. die geschlossene Grube sich von selbst unvermeidlich in eine
überfließende verwandelt und so früher oder später dazu zwingt, diesen gegebenen Zuständen
Rechnung zu tragend Zudem ließ der hohe Wasseranteil der Latrinenmasse deren Düngewert
sinken und die Abfuhrkosten steigen. Dass man erst Jahre später auf diesen Missstand reagierte,
war nicht untypisch. Denn auch in anderen Städten wurden „Wasserversorgung und städtische
Kanalisation unabhängig voneinander geplant und das Problem der Entsorgung erst viel später
erkannt",49 obwohl beides einander fast zwangsläufig bedingte.
Erste Überlegungen über die Notwendigkeit einer geregelten Abfuhrung der Niederschläge
(Meteorwässer) und des „Gebrauchswassers" aus den Haushalten drängten sich der Stadtverwaltung
auch aufgrund verschiedener Beschwerden von Bewohnern des Neubaugebietes
nördlich der Altstadt auf: So entstand u.a. bei Regen am Karlsplatz ein See und als die an den
Kreuzungen der Rheinstraße mit den senkrecht sie durchschneidenden Straßenzügen und anderen
Punkten zum Zweck einer provisorischen Entwässerung angelegten Senklöcher verschlammten
und nicht mehr dauernd aufnahmefähig zu halten waren, drang das Wasser in benachbarte Keller
ein. Drohungen mit Klagen und ein für die Stadtgemeinde verloren gegangener Prozeß [...] wegen
Versumpfung eines Kellers [...] bewiesen, daß die den Anwohnern erwachsenen Nachtheile
der mangelhaften Wasserabführung unerträglich geworden.50
Eine Abfuhrung auch der Fäkalien wurde allerdings zunächst nicht erwogen, da man dafür
noch keine Notwendigkeit sah. Ein erstes Umdenken bewirkten hier die Eingaben der Leitung
der Medizinischen Universitätsklinik in der Albertstraße, welche einen jahrelangen Kampf darum
führte, dass der offene Abwasserkanal, welcher vor der Klinik als ein langsam dahinfließender
Pfuhl von Zeit zu Zeit die Umgebung verpestet[o\ durch eine Tiefkanalisation ersetzt würde.
Bereits 1875 machte die medicinische Facultät [...] auf die schlimmen Cloakenverhältnisse des
klinischen Hospitals aufmerksam mit dem Hinweis, daß bei der großen Menge der daselbst con-
zentrierten Auswurfstoffe von Kranken ein Infectionsherd geschaffen sei, welcher in mehreren
42
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44
45
4o
47
4S
4')
50
Vgl. Kast (wie Anm. 2), S. 19.
Vgl. Hygienische Skizzen aus Freiburg im Breisgau. Im Auftrag der Städtischen Behörden als Festschrift
der XII. Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege gewidmet, Freiburg
1885, S. 8f.
Vgl. Freiburger Zeitung vom 23.3.1889, Nr. 70.
Vgl. Kast (wie Anm. 2), S. 50.
Vgl. Ernst Grahn: Die städtische Wasserversorgung im Deutschen Reiche, Bd. 2: Die Deutschen Staaten
außer Preußen, München/Berlin 1902, S. 536.
Joseph Ehrler: Die Gemeindebetriebe der Stadt Freiburg im Breisgau, Leipzig 1909, S. 17.
Vorlage des Stadtrathes an den Bürgerausschuß. Über den Ausbau der Kanalisation und die Anlage von
Rieselfeldern zur Reinigung und Verwerthung der sämmtlichen städtischen Abwässer, Juli 1889, S. IVf.
Vgl. von Simson (wie Anm. 36), S. 25.
Denkschrift über die Canalisierung des nördlichen Baugebietes, Dezember 1880, S. 1.
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