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Fällen Typhuserkrankungen an Pfleglingen im Gebäude zur Folge gehabt.51 Aufgrund des ungelösten
Entsorgungsproblems der auch mit Fäkalien belasteten Klinikabwässer verzögerte sich
die Ausfuhrung jedoch, sodass die Klinikleitung 1877 vorschlug, die Abwässer nicht weit entfernt
westlich der Bahnlinie auf den Balken- und Klaramatten zu verrieseln. Es waren zu diesem
Zweck auch bereits Zementröhren angeliefert, aber nicht verlegt worden, weil über die Größe des
zu wählenden Rieselfeldes dem Stadtrath nähere Anhaltspunkte fehlten und ein gewisses Gefühl
der Unsicherheit in diesem Punkte ihn abhielt, vorzugehen.52
So kam es, dass erste Schritte mit der neuartigen Form der Tiefkanalisation zunächst in dem
seit 1870 neu entstehenden „südwestlichen Stadtteil", dem heute sogenannten „Sedanviertel",
gemacht wurden, wo ebenfalls ohnehin mangels der nur in der Altstadt vorhandenen „Bächle"
eine Ableitungsmöglichkeit hergestellt werden musste. Bis zum Jahr 1878 wurden in der
Wilhelmstraße 24 und in der Belfortstraße 35 Häuser, allerdings nur teilweise auch mit den
Abtritten, an die Kanalisation angeschlossen (Abb. 2).53 Abgeleitet wurden diese Abwässer
durch einen Kanal unter der „Parallelstraße" (heute Schnewlinstraße) in den südlichen Zweig des
Gewerbebaches („Obere Runz"), welcher nach Unterquerung der Bahnlinie teils in die Dreisam
abgeleitet bzw. zeitweise zur Wässerung der Wiesen westlich des Stühlingers verwendet wurde.
Nachdem diese ersten Versuche einer Tiefkanalisation als „Prüfstein auf deren Zweckmäßigkeit
[...] Probe gehalten [hatten], so fand deren Nützlichkeit auch bei Solchen Anerkennung, die der
Sache bislang sehr kühl gegenüber gestanden hatten."54 Es wurde in der Folge daher die systematische
Kanalisierung der Altstadt sowie der nördlich und südwestlich angrenzenden Baugebiete
ins Auge gefasst.
Bereits 1876 hatte Medizinalrat Hermann Kast eine Denkschrift über die Kanalisierung des
Stadtgebietes veröffentlicht, welche „lebhafte Diskussion und feurige Gegnerschaft wachrief'.55
Erstmals wurde darin mit detaillierten medizinischen Argumenten die Notwendigkeit der
Kanalisation untermauert. Kast errechnete, dass bereits mit Beginn der pneumatischen
Grubenentleerung 1868 die Zahl der Typhus-Erkrankungen in Freiburg signifikant zurückgegangen
sei, und nach Vervollständigung der Schwemmkanalisation „hier jährlich etwa 124
Personen weniger sterben müssen".56 Zumindest ein Teil der Bürgerschaft sah dies jedoch anders
. Nicht nur, dass damals für viele Zeitgenossen „die Vorstellung, sämtliche Abwässer einer
Stadt durch die Kanalisation zu leiten, etwas völlig Unbekanntes und deshalb Abzulehnendes"
war.57 Sondern man verglich auch Freiburg mit den 10.000 Städten des deutschen Reiches, von
denen noch kein halbes Prozent kanalisiert wurde und zwar aus dem einfachen Grunde, weil nur
Aerzte und Techniker diese Einrichtung empfehlen und die übrigen Bewohner der Städte sich für
deßfalligen Vorschläge nicht entscheiden können. Auch hier in Freiburg sind es ebenfalls nur die
genannten Fachmänner, welche alles Heil in der Kanalisation finden. Daß die Kanalisation sich
hier durchführen lasse, ist wohl nicht zu bezweifeln; allein die Hauseigenthümer finden diessel-
be für unnöthig.58 Im Hinblick auf die Forderungen der Medizinischen Klinik und den „Beizug
der Hausbesitzer" zu den Kosten der Kanalisierung hieß es: Es will uns bedünken, daß von der
51 Ebd.
52 Ebd., S. 2.
Vgl. Verzeichnis in StadtAF, Cl Polizeisachen 8 Nr. 4; Hygienische Skizzen (wie Anm. 43), S. 31.
54 Vgl. Hygienische Skizzen (wie Anm. 43), S. 15.
55 Krebs (wie Anm. 30), S. 59.
56 Kast( wie Anm. 2), S. 121.
von Simson (wie Anm. 36), S. 85.
Denkschrift über die Kanalisation des nördlichen Baugebietes der Stadt Freiburg i. B. und gegen den
Beizug der Hausbesitzer daselbst zu den dadurch entstehenden Kosten, 13.9.1881, S. 2.
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