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neu Teilungsverhandlungen. Wir können diese Stellungnahme von einem geistlichen
Herrn umsoweniger verstehen, als es doch ganz selbstverständlich ist, dass die religiösen
Interessen einer ganzen Gemeinde gerechter Weise unter keinen Umständen einem
einzelnen Herrn zuliebe geopfert und vollständig ausser Berücksichtigung gelassen
werden können. Wir sagen nicht zu viel, aber furchtbar müsste die Verantwortung
eines Seelenhirten vor unserm Herrgott sein, wenn nur eine unsterbliche Seele (bei
Unglücksfällen oder sonst dringender Gefahr) ohne die Tröstungen der heiligen Kirche
in Folge der relativ weiten Entfernung des Ortsgeistlichen in s Jenseits hinüberschlummern
müsste. Weiter unten in dem insgesamt drei Seiten umfassenden Brief wurde die
zentrale Forderung noch einmal klar und unmissverständlich artikuliert: Der Wille der
gesammten Kirchengemeinde ist klar, die Kirche steht und zur Kirche verlangen wir auch
den Pfarrer.21
Im Ordinariat freilich ließ man sich hiervon ebenso wenig beeindrucken wie von der im
gleichen Schreiben vorgetragenen Bitte, den Wunsch nach einer eigenen Pfarrei für Ehrenstetten
endlich zu erfüllen: Der Brief war am 30. Mai 1921 eingegangen, und schon am 1. Juni versah
ihn der zuständige Referent kommentarlos mit dem Vermerk Zu den Akten.22
In der Sache selbst gingen die Untersuchungen und Verhandlungen weiter. Am 13. Januar
1922 legte der Katholische Oberstiftungsrat auf Wunsch des Ordinariats ein Rechtsgutachten
vor, in dem auf breitest möglicher historischer Grundlage die freilich mangels wirklich
aussagekräftiger Archivalien gleichwohl recht schmal ausfiel - die Rechte und Pflichten der
Kirchhofener Kaplaneien sowie ihre Beziehungen zur Gemeinde Ehrenstetten dargestellt wurden.
Der Gutachter kam zu dem Schluss, dass früher wohl in der Tat der Inhaber der Johanneskaplanei
- auch Frühmesskaplanei genannt - für die Seelsorge in Ehrenstetten zuständig gewesen sei,
dass es also durchaus gewisse historische Begründungen dafür geben könne, sie als Grundlage
für die neu zu errichtende Pfarrei Ehrenstetten zu nehmen. Einen voraussichtlich gerichtsfesten
Rechtsanspruch gebe es allerdings nicht.23
Dieses Gutachten war am 19. Januar 1922 beim Ordinariat eingegangen, und noch am selben
Tag - manchmal kann eine Kirchenbehörde auch schnell handeln! - ging ein Schreiben an den
Stiftungsrat Kirchhofen ab, in dem er aufgefordert wurde, er möge sich nun zur Sache äußern.
Im Interesse von Ehrenstetten sollte die Sache dringlich behandelt werden.24
Danach endlich, so scheint es, rauften sich alle Beteiligten zusammen und machten sich
rasch und konzentriert daran, die noch offenen Fragen zu beantworten. Am 7. Februar 1922
fand im Rathaus von Ehrenstetten eine Besprechung statt, an der neben dem Stiftungsrat, dem
Gemeinderat und dem Bürgermeister von Ehrenstetten auch Pfarrer Fritz, Kanzleidirektor
Dr. Sester und der schon erwähnte Freiburger Rechtsanwalt Ludwig Marbe teilnahmen. Das
Ordinariat hatte einen Entschließungsantrag vorbereitet, der gründlich diskutiert und schließlich
angenommen wurde, wie Dr. Sester festhielt:
Bei der Diskussion zeigten die Bürger von Ehrenstetten scheinbar Verständnis für die
Rechtslage und bewilligten alles, was zur Errichtung der Pfarrei als notwendig bezeichnet
wurde. Nur Bürgermeister Barth enthielt sich der Stimme.25
Ebd., Schreiben vom 28. Mai 1921.
Ebd., Randvermerk aufschreiben vom 28. Mai 1921.
Ebd., Schreiben vom 13. Januar 1922.
Ebd., Schreiben vom 19. Januar 1922.
Ebd., Aktenvermerk vom 21. März 1922.
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