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im BVS - erklärte zum 50-jährigen Jubiläum der Kommission: Der Nationalsozialismus hat die
Stellung des einzelnen zu Volk und Staat von Grund auf neu bestimmt, er hat die autonomen
Rechte des Individuums aufgehoben und sie nur als Funktion im Gesamtkörper des Volks anerkannt
und als Pflichten geheiligt. Damit ist die Stellung der Wissenschaft gegeben?1 Mayer
kann hier als Beispiel für einen Historiker gelten, der sich dem Nationalsozialismus rasch an-
passte und sogar historisch sinnstiftend dessen Eroberungsfeldzug legitimierte.32 Die Mehrheit
der Historiker, die anfangs noch zur Mitarbeit bereit war, ging jedoch mit der Zeit auf Distanz
zur Partei und zog sich in den ungefährdeten Bereich der Wissenschaft zurück.33 Die kritischen
Stimmen offenbarten sich nur selten und zeigten sich oft widersprüchlich, wie später noch anhand
einiger Beispiele dargestellt werden soll.
2.2. Das Ringen der Geschichtsvereine um ihre Selbständigkeit
Für den Kulturbetrieb in Baden ab 1933 war die Person des neuen Ministers für Kultus
und Unterricht, Otto Wacker,34 entscheidend; in seinem Zuständigkeitsbereich lagen auch
die Geschichts- und Heimatvereine. Sein besonderes Interesse galt der Geschichte des
Oberrheins: Als Minister leitete er seit 1938 die Badische Historische Kommission, welche die
Zusammenarbeit der an der Erforschung der Geschichte des Oberrheins beteiligten Institutionen
bündeln sollte.35 1937 legte Wacker die Bedeutung der Geschichtsvereine für das nationalsozialistische
System in einer Rede dar: Der nationalsozialistische Staat weiß die Arbeit der deutschen
Geschichts- und Altertumsvereine in besonderem Maße zu würdigen [...] Der dröhnende
Schritt der Weltgeschichte muss sein Echo finden im Gang der historischen Geschehnisse der
C4/X/19/10 sowie Franz Quarthai: Das Alemannische Institut von seiner Gründung bis zum Ende des
Zweiten Weltkriegs, in: Das Alemannische Institut. 75 Jahre grenzüberschreitende Kommunikation und
Forschung (1931-2006), hg. vom Alemannischen Institut Freiburg (Veröffentlichung des Alemannischen
Instituts Freiburg i. Br. 75), Freiburg 2007, S. 47-96.
Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins (ZGO) 95 (1943), S. mlO. Auf Mayers Lebenslauf und seine
Bedeutung für die Mediävistik wird später noch näher eingegangen.
Vgl. Wiggershaus-Müller (wie Anm. 26), S. 201.
Das Verhalten der Historiker darf nicht isoliert für die Zeit des Nationalsozialismus betrachtet werden
, sondern es müssen auch Dispositionen aus der Zeit davor herangezogen werden. Unter den
Geschichtswissenschaftlern herrschte bereits vor 1933 eine antirepublikanische Stimmung; durch den
Nationalsozialismus sahen sie die Kontinuität der deutschen Geschichte gewahrt. Vgl. ebd., S. 200.
Nach dem Studium der Architektur, Germanistik, Philosophie, Kunst- und Literaturgeschichte, trat Wacker
1923 der NSDAP bei und gründete 1924 die getarnte Ortsgruppe Offenburg. Von 1928-1933 fungierte er als
Hauptschriftleiter und Leiter der Presseabteilung des Gaus Baden. Von Januar 1937 bis zum Frühjahr 1939
übernahm er für eine kurze Zeit das Amt Wissenschaft im Reichsministerium Wissenschaft, Erziehung
und Volksbildung in Berlin. Vgl. Prellwitz (wie Anm. 20), S. 411; Karl Stenzel: Staatsminister Dr. Otto
Wacker, in: ZGO 93 (1941), S. 276-278, hier S. 277.
Die Badische Historische Kommission, ab 1941 in Oberrheinische Historische Kommission umbenannt,
war dem Ministerium für Kultus und Unterricht unterstellt. Wacker erarbeitete 1934 neue Satzungen, in
denen das Führerprinzip angewendet wurde, besetzte sie personell neu und richtete sie thematisch neu
aus. Die Forschung war nicht weiter auf das Land Baden beschränkt, sondern hatte die Landschaft des
Oberrheingebiets jenseits von Staatsgrenzen im Blick. In ihr sammelten sich nicht mehr alleine die historisch
ausgerichteten Forscher, sondern es wurde ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt. Vgl. Otto Wacker:
Ansprache (auf der Festsitzung der Badischen Historischen Kommission am 14. Dezember 1935), in: ZGO
88 (1936), S. 518-522, hier S. 520.
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