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kaum als bekennender Nationalsozialist bezeichnen.94 Im Gegenteil: Er hatte im direkten familiären
Umfeld erfahren müssen, welche Auswirkungen die nationalsozialistische „Rassepolitik"
für seine Familie und ihn selber besaß. Heinrich Brenzinger war mit Annemarie Ganz verheiratet
, die nach den Nürnberger Rassegesetzen von 1935 als „Mischling I. Grades" eingestuft
wurde.95 Als die Familie im Jahre 1945 eine Ladung zur Gestapo erreichte und sie befürchten
mussten, dass der Transport in ein Konzentrationslager unmittelbar bevorstand, nutzte Heinrich
Brenzinger seine persönlichen Kontakte, um seine Frau zu beschützen. Er war eng befreundet
mit dem Landeskommissär Paul Schwoerer und Hermann Eris Busse, der wiederum Duzfreund
des badischen Innenministers Karl Pflaumer war, dem die badische Polizei unterstand und der
dementsprechend für die Familie Brenzinger eintrat.96 Brenzingers Ehe, an der er immer festhielt
, wirkte sich negativ auf seine bis dato erfolgreiche Firma aus. Im „Stürmer", dem antisemitischen
Hetzblatt des Julius Streicher, wurde Heinrich Brenzinger als jüdisch versippt bezeichnet
.97 Bei öffentlichen Ausschreibungen wurde er nur noch selten berücksichtigt. Sein Vortrag im
BVS „Fünfhundert Jahre einer Freiburger Bürgersfamilie" im Mai 1934, der im „Alemannen"
kommentarlos angekündigt worden war, wurde im „Stürmer" attackiert. Es wurde dazu aufgerufen
, den Vortrag aufgrund Brenzingers Ehe mit einer „Jüdin" zu boykottieren.98 Weitere
Probleme bekam er, weil er in seiner Firma von 1911 bis 1938 den jüdischen Diplomingenieur
Ludwig Friedländer beschäftigte, den er bei seiner Emigration nach Indien und seinem späteren
Wiedergutmachungsverfahren unterstützte.99 Wie viele Zeitgenossen aus dem Bürgertum war
Brenzinger einigen Ideen des Nationalsozialismus nicht grundsätzlich abgeneigt, besonders in der
Anfangszeit des Regimes. So trat er dem Stahlhelm bei, dem Bund der Frontsoldaten, der 1933
in den NS-Frontkämpferbund eingegliedert und später in die SA-Reserve überführt wurde.100 In
Heinrich Brenzinger zeigt sich das Bild des Großbürgers, der privat als Mäzen und Patriarch auftrat
. Der BVS hatte 1944 zum 65. Geburtstag Heinrich Brenzingers eine Festschrift vorbereitet,
die aber wegen des Krieges nicht mehr veröffentlicht werden konnte. Es wurde nur ein maschinenschriftliches
Exemplar überreicht.101 Der Breisgauverein scheute sich auch nicht, den öffentlich
von den Nationalsozialisten bedrängten Heinrich Brenzinger zum Ehrenmitglied zu befördern.
Im Mai 1933 wurde Brenzinger von Beamten des städtischen Tiefbauamts, mit denen seine Firma zu
tun hatte, für die Gründung eines SS-Pioniersturms, in den alle Bauingenieure eintreten sollten, als förderndes
Mitglied geworben; monatlich zahlte er 5 RM. Unter dem Zwang der damaligen Lage seiner
Firma musste er zusagen, den Beitritt seiner Angestellten zu fördern. Vgl. StAF, D 180/2, Nr. 34471,
Bestätigung von Brenzinger, 4.12.1945. Im Entnazifizierungsurteil wurde die fördernde Mitgliedschaft
als gering bewertet und als Zwang der damaligen Zeit. Vgl. ebd., Urteil v. 9.3.1948. Im Oktober 1935
erklärte Brenzinger seinen Austritt.
Ihr Onkel und ihre Tante wurden im Oktober 1944 in Auschwitz vergast, weitere fünf Mitglieder der
Familie wählten den Freitod, ein Vetter emigrierte nach London. Vgl. ebd., Meldebogen, 25.11.1947.
Vgl. Haussmann (wie Anm. 93), S. 132f. Zu seinem weiteren Freundeskreis gehörten seit Kindertagen
auch der Anthropologe Eugen Fischer und Hans Adolf Bühler. Bühler war Künstler und Besitzer der Burg
Sponeck und gehörte dem völkisch gesinnten, antisemitischen Kampfbund für deutsche Kultur an. Als
Direktor der Karlsruher Badischen Landeskunstschule ordnete er diese neu und entließ viele Professoren.
1933 organisierte er in Karlsruhe eine Ausstellung über „Entartete Kunst".
Vgl. StAF, D 180/2, Nr. 34471, Brenzinger an Staatskommissar Streng, 16.2.1947.
Vgl. Stürmer Nr. 22, Mai 1934.
Vgl. zur Unterstützung von Friedländer durch Heinrich Brenzinger die entsprechenden Faszikel im
StadtAF, Kl/108, Nr. 41.
1935 folgte sein Ausschluss. Vgl. StAF, D 180/2, Nr. 34471, Meldebogen, 25.11.1947.
Vgl. Liessem-Breinlinger (wie Anm. 93), S. 171.
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