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führen möchte in ein großes und starkes Reich - diese Hoffnung ist heute erfüllt}55 Gerhard Ritter
gehörte zu den über 500 Wissenschaftlern, die freiwillig in der „Arbeitsgemeinschaft für den
Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften" des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung
und Volksbildung und der „Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung" mitarbeiteten.156 Die
Zustimmung schlug jedoch, wie bei vielen anderen Hochschullehrern, mit den Ausschreitungen
gegen Juden und der Brandstiftung an den Synagogen während der Novemberpogrome um.157 Er
zog sich nicht wie Meinecke und andere Wissenschaftler in die innere Emigration zurück, auch
wenn er z.B. jede öffentliche politische Äußerung vermied und nicht mehr in das Dozentenzimmer
ging, bis er wusste, wem er trauen konnte.158 Er schloss sich dem Widerstandskreis „Freiburger
Konzil" (auch bekannt als „Freiburger Kreis") an, der durch die Volkswirtschaftler Constantin
von Dietze und Adolf Lampe aufgrund der Erfahrungen der Freiburger Pogromnacht vom 9.
auf den 10. November 1938 gegründet worden war. Weitere Mitglieder waren die Professoren
Clemens Bauer, der Jurist Freiherr Marschall von Biberstein, der Nationalökonom Walter
Eucken, der Physiker Gustav Mie und deren Frauen. Ritter wurde am 2. November 1944 von der
Gestapo verhaftet und bis zum Ende des Krieges im Konzentrationslager Ravensbrück inhaftiert.
Hans-Walter Klewitz (1907-1943) wurde 1940 Extraordinarius auf dem Freiburger Lehrstuhl
für mittlere und neuere Geschichte. Er trat am 1. Dezember 1936 der SA und 1937 der NSDAP
bei, später gehörte er der „SS-Leibstandarte Adolf Hitler" an. Am 15. März 1943 starb er an
einer Lungenentzündung im Ausbildungslager Berlin-Lichterfelde.159 Klewitz hinterließ in
Freiburg aufgrund seiner kriegsbedingten langen Abwesenheitszeiten keine tieferen Spuren als
Wissenschaftler.160 Als Inhaber eines historischen Lehrstuhls war er gleichzeitig im Vorstand des
Historischen Vereins, trat hier jedoch ebenfalls nicht in Erscheinung. Er war auch Mitglied des
BVS.
Bei allen Verinsvorsitzenden fällt auf, dass sie anfangs noch bereit waren, am neuen NS-Staat
mitzuarbeiten. Diese Bereitschaft ließ aber nachweisbar bei allen nach, sobald der diktatorische
Staat das wahre Gesicht des Terrors offenbarte. Für die Historiker lässt sich festhalten, dass sich
kaum einer vollständig mit den nationalsozialistischen Ideen identifizierte. Doch letztendlich
legitimierte auch eine partielle Identität die NS-Politik.
Ebd., S. 207.
Vgl. Frank Rutger Hausmann: „Deutsche Geisteswissenschaft" im Zweiten Weltkrieg. Die Aktion
„Ritterbusch" (1940-1945) (Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 12), Heidelberg 32007,
S. 154.
Als Beleg für sein Entsetzen sei ein Brief an seine Mutter vom 24.11.1938 genannt, abgedruckt in: Der
„Freiburger Kreis". Widerstand und Nachkriegsplanung 1933-1945, hg. von Dagmar Rübsam und Hans
Schadek (Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg i.Br. 25), Freiburg 1990, S. 62.
Der Dozentenbund galt bei den Professoren als mit Beobachtern des SD durchsetzt. Vgl. Gerhard Ritter:
Die Universität Freiburg im Hitlerreich. Persönliche Eindrücke und Erfahrungen, in: Die Freiburger
Philosophische Fakultät 1920-1960. Mitglieder - Strukturen - Vernetzungen, hg. von Eckhard Wirbelauer
(Freiburger Beiträge zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte NF 1), München 2006, S. 769-802, hier
S. 798.
Klewitz hatte die Mitgliedsnummer 5034434. Vgl. zu seinem weiteren Lebenslauf: UAF, C 125/20,
Lebenslauf von Klewitz. Zur Biografie siehe auch Andre Gutmann: Zwischen Barbarossa, Gauforschung
und Wehrmachtsvorträgen - Hans-Walter Klewitz als Vertreter der Freiburger Mediävistik 1940-1943, in:
ZGO 161 (2013), S. 377-426.
Vgl. Anne Christine Nagel: Mittelalterliche Geschichte, in: Freiburger Philosophische Fakultät (wie
Anm. 158), S. 387-410, hier S. 404.
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