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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2014/0159
die Josef Mengele privat oder in SS-Uniform zeigen, bis auf wenige Ausnahmen bislang weder
lokalisiert noch datiert wurden. Gleichwohl fanden sie im Internet ohne Provenienz- oder Quellenangaben
durch Privatnutzer und diverse Geschichts-Foren weiteste Verbreitung. Mit hinreichender
Orts- und Biografiekenntnis und sensibilisiert durch die entsprechende Fragestellung
gelang es nun erstmals, sie im Vorfeld dieser Recherchen örtlich und - mit geringer Unschärfe
- auch zeitlich zuzuordnen bzw. zu erschließen. Bei mindestens zwei der fraglichen Mengele-
Fotografien ist das Ergebnis eindeutig: Die frühere zeigt Josef Mengele in Zivil, vermutlich vor
seiner Einberufung zur Wehrmacht bei seinem ersten Freiburgaufenthalt im Frühsommer 1940;
die später entstandene ist eine der verbreitetsten und zugleich beklemmendsten Mengele-Foto-
grafien überhaupt und zeigt ihn daselbst im Hochsommer 1942 in der Uniform der Waffen-SS im
Rang eines SS-Obersturmführers. Beide sind, wie sich zweifelsfrei bestimmen lässt, mit gleicher
Kameraausrichtung zur Eichhalde hin auf dem Balkon der Schoenbein-Wohnung in der zweiten
Etage des Hauses Sonnhalde 81 aufgenommen. Hinreichend belegt wurde dies zuletzt durch einen
Ortstermin 2013 und eine vergleichende Dokumentation des Altbaus aus den 1930er-Jahren
mit seinem einzelnen, rückseitig gelegenen Balkon, der charakteristischen Dachtraufe und dem
Fenstergewände. Die Fotografien sind vermutlich Privataufnahmen von der Hand Irene Mengeies
und stammen aus dem Nachlass der Familie(n) Schoenbein-Mengele, dessen Provenienz und
Verbleib allerdings unbekannt sind (Abb. 2 und 3).

Um diese Fotografien im Rahmen unserer Untersuchung mit Erkenntnisgewinn zu lesen, ist
ihr geschichtlicher und biografischer Kontext zu rekonstruieren.25 Unter seinem akademischen
Mentor Otmar von Verschuer am Frankfurter Institut für Erbbiologie und Rassenhygiene ausgebildet
und als dessen „wissenschaftlicher Assistent" mit besten Aussichten für eine akademische
Karriere in der im Nationalsozialismus besonders ideologisierten und von der NS-Rassenlehre
infiltrierten und beherrschten Leitwissenschaften „Anthropologie" und „Eugenik" tätig, muss
die Einberufung in die Wehrmacht für den noch nicht 30-jährigen Mengele zur Unzeit gekommen
sein. Sie drohte die Karriereplanung des überehrgeizigen Rassenhygienikers mit NSDAP-
und SS-Mitgliedsausweis zu durchkreuzen. „Weltanschaulich" und rassenideologisch mit seinem
Vorgesetzten Verschuer davon überzeugt, dass in diesem Krieg „die mit uns geführten vereinten
Völker mehr und mehr erkennen, dass die Judenfrage eine Rassenfrage ist, und dass sie deshalb
eine Lösung finden muss, wie sie von uns zunächst für Deutschland eingeleitet wurde",26 sollte
sich der bisherige „Arbeiter der Stirn" nun fern von Katheder und Institutsschreibtisch bei
der kämpfenden Truppe im ausgerufenen „Weltanschauungs- und Vernichtungskrieg" bewähren
. Zwar führte ihn das Personal- und Vorlesungsverzeichnis der Universität Frankfurt vom
Wintersemester 1938/39 noch bis ins Wintersemester 1943/44 (!) als Assistent des Instituts für
Erbbiologie und Rassenhygiene, doch wurde Mengele zum 15. Juni 1940 zur Frontausbildung in

Bei drei weiteren Fotografien, die aus Platzgründen hier nicht abgebildet werden können, ist es aufgrund
der identischen Zivil-Kleidung Mengeies, des gleichen Aufnahmemusters und der örtlichen Gegebenheiten
ebenfalls möglich, sie zeitnah der im Frühsommer 1940 aufgenommenen Fotografie zuzuordnen. Zwei
davon zeigen Mengele vermutlich im Freiburger Stadtgarten. Eine Fotografie zeigt Mengele auf einem
Fahrrad, lt. Byhan (wie Anm. 47) bei einem Urlaubsaufenthalt 1938 im Glottertal, wahrscheinlicher aber
ebenfalls im Jahr 1940 und möglicherweise in Alt-Herdern. Auf einer späteren Fotografie sieht man ihn, wie
auch auf dem Porträt vom August 1942, als SS-Obersturmführer mit Eisernem Kreuz II. Klasse in einem
Zugabteilfenster vor Abfahrt des Zuges. Denkbar wäre, dass sie am Ende seines Freiburger Fronturlaubs
1942 von seiner Frau aufgenommen wurde. Vgl. Digitalisate: StadtAF, M2/541.

Otmar von Verschuer in: Der Erbarzt, Januar 1940, zit. nach Benno Müller-Hill: Das Blut von Auschwitz
und das Schweigen der Gelehrten, in: Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus,
hg. von Doris Kaufmann, Göttingen 2000, S. 189-227, hier S. 193.

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