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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2014/0199
künftigen Untersuchungen stärker ins Blickfeld genommen werden sollten. Erneut zeigte sich aber auch die
Fruchtbarkeit historischer Vergleiche, die immer wieder neue Denkanstöße liefern konnten. Willy Schulze

Robert Jütte: Krankheit und Gesundheit in der Frühen Neuzeit, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2013,
243 S., S/W-Abb.

Robert Jütte ist Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung und Professor für
Neuere Geschichte an der Universität Stuttgart. Er gilt seit Jahren als profunder Kenner der Materie, was auch
die Liste seiner Veröffentlichungen, darunter zuletzt eine Einführung in die Medizingeschichte oder „Medizin
und Nationalsozialismus. Bilanz und Perspektiven der Forschung", verdeutlicht.

Krankheit und Gesundheit in der Frühen Neuzeit fasziniert den Autor, wie er im Vorwort gesteht, seit
den späten 1970er-Jahren, als er für seine Doktorarbeit in den Archiven recherchierte. Dennoch sollte es
über 30 Jahre dauern bis seine Monografie dazu erschien. Diese beruht weitestgehend auf Kölner Quellen,
bietet eine Fülle an Informationen zu Infektionskrankheiten, chronischen Erkrankungen, Hilfe im Krankheitsfall
, gesellschaftliche Reaktion auf Krankheit, Krankheitsbewältigung und schließt mit der Beantwortung
der Frage, „was man aus der Medizingeschichte lernen kann".

Kompakt und fundiert werden die gängigsten Leiden von Epilepsie bis Syphilis beschrieben, Therapien
vorgestellt, Stigmatisierung und Isolierung der Patienten angesprochen sowie der Umgang mit Krankheiten
im privaten Umfeld thematisiert. Aber auch medizinhistorische Begriffe, die heute weitestgehend unbekannt
sind, werden erklärt. Hierzu zwei Beispiele: Die „Dreckapotheke", deren Name auf eine erstmals
1696 veröffentlichte Rezeptsammlung (darin auch Kot- und Urinrezepte) des Eisenacher Arztes Christian
Franz Pauliini zurückgeht, die für „arme, insbesondere Bauern- und Landleute" gedacht war, die „Kräuter
und allen Dreck täglich um sich haben". Oder die „Märzenschau", die sich bis Mitte des 17. Jahrhunderts
in Rottweil und Villingen belegen lässt und wonach sich die Bewohner im Monat März von Badern und
Wundärzten untersuchen lassen mussten, um die unnsaubern leuth herauszufinden. Weigerte sich ein Bürger
, die Visitation an sich vornehmen zu lassen, wurde er aus der Stadt verwiesen.

Es zeichnet den Autor aus, dass er nicht nur auf die tatsächlich ärztliche Hilfe benötigenden Menschen
eingeht, sondern auch auf Simulanten hinweist, die es in der Bevölkerung gab: Die klenckner, die Verstümmelungen
oder Körperschäden vortäuschten, die grantner, die Fallsucht und Ergotismus simulierten, oder
die dutzbetterinnen, die sich als Wöchnerinnen ausgaben.

Zweifelsohne hält man hier ein Handbuch zur Medizingeschichte der Frühen Neuzeit (mit Bibliogra-
fie und Register) in den Händen, das kaum eine Frage offen lässt. Das positive Gesamtbild wird lediglich
dadurch etwas getrübt, dass offensichtlich aus Platzgründen Begriffserklärungen, längere Zitate oder Endnoten
in einer sehr kleinen Schrift wiedergegeben wurden. Mit einem lokalpatriotischen Augenzwinkern
sei auch gestattet, daraufhinzuweisen, dass nicht Christoph Kolumbus dem neu entdeckten Kontinent den
Namen „Amerika" gab (S. 53), sondern der Kartograf Martin Waldseemüller, der den Erdteil nach dem
Seefahrer Amerigo Vespucci benannte. Hans-Peter Widmann

Kastenbilder zum Gedenken an Hochzeit und Tod. Faszination eines vergangenen Brauchs. Sammlung
Margarethe Jochimsen, hg. von Kathrin Fischer und Margarethe Jochimsen, Waxmannverlag, Münster/
New York 2013, 260 S., zahlr. Färb- und S/W-Abb.

Das vorliegende Buch befasst sich mit einem wirklich faszinierenden Ausschnitt aus den Formen privaten
Erinnerns. Es geht um Kastenbilder, die zum Gedenken an Hochzeit und Tod gestaltet wurden. Sie bestanden
sehr häufig aus Kränzen und anderen Erinnerungsobjekten, die auf den Anlass zurückgehen (z.B.
Heirat), oder auch aus kunstvoll verarbeiteten Haaren (vor allem zum Totengedenken) und hingen in den
Stuben an der Wand.

Der Sammelband setzt mit dem eher theoretisch gehaltenen Kapitel „Kastenbilder zur Erinnerung an
existentielle Ereignisse im Lebenslauf ein und verortet die Objekte innerhalb der modernen Forschung zu
Erinnerungskulturen. In einer kurzen Einführung schildert die Kunsthistorikerin und -kritikerin Margarethe
Jochimsen die Entstehung dieser privaten Sammlung, die vor allem Objekte aus dem Schwarzwald, dem

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