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sehe Kultusverwaltung eine radikale und schnelle Gleichschaltung erfuhr. Die rigorose Versetzung elsässi-
scher Lehrer nach Baden und umgekehrt sollte diese Angleichung rasch durchsetzen.
Ein weiterer Themenkreis bildet die Darstellung, wie sich einzelne Persönlichkeiten in diesem
Geflecht von Anpassung, Kollaboration/Kooperation und Möglichkeiten der Distanzierung positionieren
mussten. Pia Nordblom zeigt, wie sich der Lehrer und Verleger Joseph Rosse in einem Geflecht „multipler
Realitäten" bewegte, das durchaus tragische Züge für ihn aufwies. Auch der Beitrag von Peter Steinbach
betont diese tragischen Züge bei dem Schriftsteller Reinhold Schneider; für ihn bot Literatur eine mögliche
Form innerer Emigration und Distanzierung. Marie-Claire Vitoux beschreibt schließlich, wie der deutschsprachige
Lehrer und Katholik Marie-Joseph Bopp anders als sein Kollege Rosse einen dritten Weg wählte.
Er zog sich zurück und wurde in seinem scharf beobachtenden Tagebuch, in dem er bewusst die französische
Sprache wählte, zu einem kritischen Beobachter der Politik im Elsass.
Das Buch hat sich auf neue und schwierige Fragestellungen eingelassen. Dabei lieferte es in verschiedener
Tiefe und Gewichtung neue, anregende Aspekte zum Denken und Handeln der Menschen unter der
Bedrohung einer menschenverachtenden Diktatur. Diese Aspekte sollten auch in Zukunft wieder aufgegriffen
und bearbeitet werden. Willy Schulze
Die Pfarrei im späten Mittelalter, hg. von Enno Bünz und Gerhard Fouquet (Vorträge und Forschungen
77), Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2013, 439 S., 39 Abb.
Elf Beiträge, eingerahmt durch eine Einführung und eine umfangreiche Zusammenfassung des Herausgebers
, wenden sich einer kirchlichen Grundeinheit zu, in der sich das Leben der Christen am dichtesten
vollzog. Erwartungsgemäß grenzen sie ihr Thema sowohl zeitlich als auch räumlich ein: Auf das Spätmittelalter
und auf den deutschsprachigen Raum. Der Herausgeber Enno Bünz schätzt die Gesamtzahl der
Pfarreien am Ende des Mittelalters auf ca. 50.000 bis 60.000 Pfarreien, was wohl, wie er selbst anmerkt,
sehr hoch gegriffen ist.
Die beiden einleitenden Beiträge öffnen den Zeitrahmen in die Frühzeit, in der sich die Grundlagen
ausgebildet haben, aus denen sich die Institution „Pfarrei" entwickelt hat. Wolfgang Petke charakterisiert
in seinem Aufsatz „Die Pfarrei in Mitteleuropa im Wandel vom Früh- zum Hochmittelalter" diesen Wandel
als Stärkung der bischöflichen Jurisdiktionsgewalt über Klerus und Laien. Sie konnte sich erst in einem
längeren Prozess der Ausdifferenzierung aus dem Eigenkirchenwesen entwickeln und zu einer bischöflichen
Pfarrorganisation hinführen über die Umformung der Eigenkirche zur Patronatskirche, die Ausbildung
von Zwischeninstanzen (Dekanate), das Angebot des kirchlichen Beneficiums und die Stärkung der
Mitwirkungsrechte der Pfarrgemeinde am Gemeindeleben. Der Beitrag von Harald Müller „Die Pfarrei im
Normengefuge der mittelalterlichen Kirche" blickt auf die Pfarrei aus der Perspektive des Kirchenrechts
und stellt fest, dass vor der Mitte des 12. Jahrhunderts die Pfarrei als wichtigste Instanz zwischen Amtskirche
, Gläubigen und Welt wenig Beachtung in der Kanonistik gefunden hat. .Eine entscheidende Wende
bildeten erst das 3. und 4. Laterankonzil (1179 und 1215), die verbindliche Vorgaben für die Pfarrei als
Rechtsinstitution gemacht haben, wobei auch danach noch in vielen praktischen Fragen regionale Gewohnheiten
respektiert wurden.
Alle übrigen Beiträge konzentrieren sich auf das Spätmittelalter und die frühe Neuzeit unter verschiedenen
Aspekten, die hier nur angedeutet werden können. Christoph Volkmar „Die Pfarrei im Blickfeld
der Obrigkeit. Aufsicht und Reform durch Bischöfe, Landesherrn und Städte" beschreibt eingehend die
Konkurrenzsituation und Formen der Zusammenarbeit zwischen geistlicher und weltlicher Jurisdiktion.
Dem Patronatswesen räumt er dabei einen hohen Stellenwert ein. Ausgehend von der Situation in Frankfurt
konstatiert auch Felicitas Schmieder „Die Pfarrei in der deutschen städtischen Kirchenlandschaft" eine
Vielzahl von Entscheidungsträgern und Institutionen, auch wenn in den meisten Städten nur eine einzige
Pfarrei eingerichtet war. Die Verfasserin verweist in dem Zusammenhang auch auf Freiburg. Für Marc
Carel Schurr „Architektur als politisches Argument. Die Pfarrkirche als Bauaufgabe der mittelalterlichen
Städte im Südwesten des Reiches" spielt das Freiburger Münster als Prototyp der gotischen Stadtpfarrkirche
eine wesentliche Rolle. Im Vergleich mit den Kirchen in Fribourg/Ü., Esslingen und Ulm deutet er
- ohne es im Einzelnen auszuführen - die verschiedenen Bauphasen auch als Spiegel konkurrierender An-
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