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Sprüche von Stadtherrn und städtischen Eliten auf Patronatsherrschaft und Kontrolle des reich entwickelten
Stiftungswesens. Dieses Stichwort nimmt Heinrich Dormeier „Das laikale Stiftungswesen in spätmittelalterlichen
Pfarrkirchen" zwar nur am Beispiel Lübeck auf, aber er demonstriert eindrucksvoll die Vielfalt
testamentarischer Zuwendungen an eine Kapelle der Lübecker Marienkirche durch eine 15-seitige Liste.
Arnd Reitemeier „Die Pfarrgemeinde im späten Mittelalter" bietet mit einem ausfuhrlichen Anmerkungsapparat
einen hervorragenden Einblick in den Forschungsstand zur Frage nach der Teilhabe der Gläubigen
an Angelegenheiten der Pfarrei. Zwei Zuständigkeiten hebt er besonders hervor: Den Send als das geistliche
Gericht des Niederkirchenwesens, zu dem auch Laien als Schöffen hinzugezogen wurden, und die
Kirchenfabrik, aus der die Baukosten bestritten wurden. In weiteren Bereichen wie Schule, Armenfürsorge,
Allmende, Wasserversorgung und -entsorgung, Verteidigung u.ä. ergaben sich vielfältige Berührungspunkte
mit der weltlichen Gemeinde.
„Versuch einer Zusammenfassung" nennt Enno Bünz sein abschließendes, 24-seitiges Resümee der
Frühjahrstagung des Konstanzer Arbeitskreises von 2009. Die erste Hälfte fasst noch einmal die wichtigsten
Ergebnisse der einzelnen Beiträge zusammen, die zweite Hälfte aber widmet sich eingehend den
Forschungslücken und -aufgaben, die sich aufgedrängt haben, angefangen mit Fragen der Terminologie
und der Quellenlage bzw. deren Aufarbeitung. Die Pfarrei als Schnittstelle von Kirche und Welt und als
Rahmen des alltäglichen Lebens wird zu einem herausgehobenen Paradigma der mittelalterlichen Gesellschaft
schlechthin. Das vermittelt der Band in der Tat sehr anschaulich. Eugen Hillenbrand
Vorderösterreichisches Appellationsgericht und Vorderösterreichische Landrechte 1782-1805, bearb. von
Peter Steuer und Konrad Krimm (Gesamtinventar der Akten und Amtsbücher der vorderösterreichischen
Zentralbehörden in den Archiven der Bundesrepublik Deutschland 10 / Veröffentlichungen der Staatlichen
Archivverwaltung Baden-Württemberg 50/10), Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2012, 354 S.
Seit 1985 entsteht ein Gesamtinventar über die in deutschen Archiven verwahrte Akten- und
Amtsbücherüberlieferung der vorderösterreichischen Zentralbehörden, die nach 1806 ohne Rücksicht
auf ihre historischen Zusammenhänge und entgegen heutiger archivfachlicher Grundsätze aufgeteilt
wurde. Mit Band 10 legt das Landesarchiv Baden-Württemberg nun das Inventar zum vorderösterreichischen
Appellationsgericht und den vorderösterreichischen Landrechten vor. Die beiden 1782 bis 1792
in Freiburg tätigen Gerichte waren Kinder der josephinischen Staatsreformen. Das Appellationsgericht
war Aufsichtsbehörde und Berufungsinstanz; hinter dem eigenwilligen Namen der „Landrechte" verbirgt
sich ein Sondergericht für Prälaten-, Adel- und Ritterstand. Es war ein landesherrliches und nicht
mehr ständisches Gericht, spiegelt aber in seiner „Kompetenz mehr die ,vormodernen', alteuropäischen
Herrschaftsstrukturen wider als das eher zukunftsweisende Appellationsgericht" (S. 10). Freilich wurde
auch dort der intendierte Zentralismus durch die Vereinigung des Präsidentenamtes mit dem der vorderösterreichischen
Regierung durchlöchert, was wie die Bearbeiter zu bedenken geben - ebenfalls ein
Zugeständnis an die autonomiegewöhnten vorderösterreichischen Stände gewesen sein könnte. Über
Arbeitsweise und Registratur der beiden Gerichte ist wenig bekannt, und leider beschränken sich auch
die beiden Bearbeiter auf eine sehr knappe Einleitung, ohne ihre bei der Erschließungsarbeit gewonnenen
Einsichten und Erkenntnisse darzulegen. Die Gerichtstätigkeit reicht vom banalen Nachbarschaftsstreit in
Ehingen (Nr. 310) bis zu grundsätzlichen Verfassungsfragen wie der Gerichtshoheit in Todtnauberg (Nr.
193). Hinzu kommen Akten aus der Ausübung der Rechtsaufsicht des Appellationsgerichts bzw. aus dem
Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei den Landrechten - von Heirats- und Verlassenschaftssachen
bis hin zu der vormundschaftlichen Genehmigung eines Vertrags zur Verlegung von Parkett im Freiburger
Sickingen-Palais (Nr. 900). Typische Verfahrensgegenstände sind etwa die Frage der Fallbarkeit der Bürger
von Waldkirch gegenüber dem Stift (Nr. 1031), Streitigkeiten um Wald zwischen Gemeinde und Priorat
Oberried bzw. dem Kloster St. Blasien, bei denen man bis auf Urkunden aus dem Jahr 1317 zurückging
(Nr. 243, 246 und 1028), oder auch Schuldforderungen von dem und an den wohlbekannten Freiherren
Joseph von Laßberg in Heiligenberg (Nr. 276 und 1085). Aus Schwäbisch-Österreich sind in den Akten
mehrfach Schutzjuden bezeugt.
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