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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2014/0209
übertragen. Vorangegangen waren schwere Vorwürfe, so wurde Niesenbergers Arbeit als unwerklicheit
und ungestalt bezeichnet. Diese Beurteilung blieb haften. Der Freiburger Chorbaumeister galt nun als
Gescheiterter, ja sogar als regelrechter Pfuscher, der großen Aufgabe, den Freiburger Chor zu vollenden,
nicht gewachsen und sich in einer Vielzahl von Baustellen verzettelnd. Die Lektüre des Buches vermittelt
ein anderes Bild.

Die Gliederung folgt den Lebens- und Arbeitsstationen Hans Niesenbergers und beginnt in seiner
Geburtsstadt Graz. Der dortige Dom, der auf Initiative Kaiser Friedrichs III. begonnen wurde, wird
ausführlich dargestellt, übte er doch auf den vermutlich 1413/14 geborenen Niesenberger einen gewissen
Einfluss aus, wenn auch seine in der Lokalforschung angenommene Tätigkeit als Grazer Dombaumeister
eher in Frage gestellt werden muss. Außer Zweifel steht aber, dass er an der Grazer Bauhütte seine
Ausbildung erhalten hat und zumindest an führender Stelle tätig gewesen ist. Seine Herkunft hat Hans von
Gretz stets voll Stolz im Namen geführt.

Die weiteren Stationen des Grazers führten über Wien, dann wohl über Regensburg, vielleicht auch
Passau oder Landshut und mögliche weitere Stationen 1455 nach Ulm. Bemerkenswert sind dabei nicht nur die
Orte, sondern auch die an den verschiedenen Baustellen tätigen Meister, die ein weite Teile Süddeutschlands
umspannendes Netzwerk bilden, zu dem bald auch Niesenberger zählte. Die Beziehungen der verschiedenen
Bauhütten untereinander werden im weiteren Verlauf seiner Tätigkeit immer wieder eine Rolle spielen,
sei es bei gegenseitigen Empfehlungen an andere Baustellen, sei es in Konflikten und Streitigkeiten.

Hans Niesenberger lässt sich schließlich in Ravensburg nieder, wo er bald in bester Lage ein großes
Wohnhaus mit Werkstatt sein eigen nennt und private, öffentliche und kirchliche Bauaufgaben übernimmt.
Von Ravensburg aus bewirbt sich Niesenberger bald erfolgreich um Aufträge außerhalb u.a. in Thann und
Ulm, bis er am Winteranfang 1471 die bislang größte Aufgabe seiner Karriere übertragen bekommt und
Werkmeister am Freiburger Münsterchor wird, den er nach 100-jähriger Bauunterbrechung zur Vollendung
führen soll. Der erhaltene Vertrag gewährt ihm große Freiheiten, was die Anwesenheit vor Ort anbelangt.
Niesenberger war nun ein gefragter Experte, der auf vielen Baustellen tätig wurde. Seine Arbeit in
Freiburg umreißt Anne-Christine Brehm mit genauen Beschreibungen des Baubestandes. Sie schildert die
zunehmenden Vorwürfe, der Baumeister kümmere sich nicht genug um die Baustelle und lasse Fehler zu.
Üble Nachrede und Anschuldigungen führten zu mehreren Prozessen. Die auch von außerhalb geschürte,
zunehmende Unzufriedenheit der Bauherrschaft gipfelte in Niesenbergers unehrenhafter Entlassung im
Spätjahr 1491, deren Hintergründe die Autorin ausführlich schildert.

Der Vorwurf, Niesenberger habe Bauschäden durch seine häufige und lange Abwesenheit verursacht,
ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Dies verursachte auch sein Engagement in Mailand, das eigentlich
den Höhepunkt in Niesenbergers Karriere darstellt: Im Frühjahr 1483 war er als Werkmeister an den
dortigen Dom berufen worden. An der Kathedrale der lombardischen Weltstadt waren von Anbeginn
Werkleute aus Frankreich, vor allem aber aus Deutschland tätig, denn die Italiener beherrschten den
gewünschten gotischen Stil nicht im notwendigen Maß. Schon Niesenbergers Vorgänger am Freiburger
Münsterchor Johannes von Gmünd scheint ab 1390 in Mailand tätig gewesen zu sein. Der Weg des Grazers
nach Italien führte sicher über die Straßburger Bauhütte, wo - wie die Autorin nachvollziehbar belegt -
Niesenberger ebenfalls als Werkmeister wirkte. Streitigkeiten mit der örtlichen Bauverwaltung führten
1486 zur Entlassung Niesenbergers in Mailand. Offenbar hoffte er, den Streit noch beilegen zu können
und ließ sich für ein Jahr als Bürger im günstig zwischen Freiburg und Mailand gelegenen Luzern nieder.

Zum Ende von Niesenbergers Karriere wenige Jahre vor seinem Tod 1493 trug auch eine Fehde bei,
den er in Basel gegen den dortigen Münsterbaumeister Hans von Nußdorf führte. Nach der Entlassung
in Mailand hatte Niesenberger 1487 die Bauleitung der Basler Leonhardskirche übernommen, die zuvor
in Hans von Nußdorfs Händen gelegen hatte. Zwischen Niesenberger und dem streitbaren und ebenso
wegen seiner zahlreichen gleichzeitigen Baustellen in der Kritik stehenden Basler entwickelte sich eine
gefahrliche Feindschaft, die 1491 in einem Rechtsstreit eskalierte. Die Vorwürfe Hans von Nußdorfs sollten
Niesenbergers Entlassung in Freiburg stark beeinflussen.

In ihrer abschließenden zusammenfassenden Betrachtung verdeutlicht Anne-Christine Brehm die
Sicht auf den „steirischen Baumeister am Oberrhein" und revidiert das Bild vom unfähigen Hochstapler

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