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endgültig. Sie zeigt den Grazer als ehrgeizigen und innovativen Baumeister und als selbstbewussten
Fachmann für schwierige Aufgaben, der auf die Meinung seiner Kollegen wenig Wert legte. Mit seiner
Tätigkeit als Bauunternehmer, der zahlreiche kleinere und größere Aufträge gleichzeitig betreut, vertrat
Niesenberger ein fortschrittliches Architektenbild. Er überließ die Bauaufsicht einem Parlier vor Ort, hielt
ständigen brieflichen Kontakt und reiste zwischen den einzelnen Baustellen hin und her. Auf Dauer gab
dies die Infrastruktur des späten Mittelalters jedoch nicht her und die großen räumlichen Distanzen mussten
letztlich zum Scheitern führen. Noch war die Zeit nicht reif für diese Art des reisenden Baumeisters und die
Städte pochten wieder auf Exklusivität ihrer Baumeister und verboten die Übernahme anderer Baustellen
neben der eigenen. Niesenbergers Einfluss auf die Architektur des Oberrheins blieb jedoch bestehen und
wurde vor allem in seinen zahlreichen Schülern und Nachfolgern weiter getragen, darunter so berühmte
Baumeister wie Hans Hammer in Straßburg, der einst Niesenbergers Parlier an der Straßburger Hütte
gewesen war und ihm dort als Werkmeister nachfolgte. In ihnen wird seine von Graz geprägte Architektur
fortentwickelt und wirkt noch bis ins 16. Jahrhundert weiter.
Anne-Christine Brehms Buch über Hans Niesenberger ist trotz der Fülle des ausgebreiteten Materials
eine geradezu spannende und anregende Lektüre. Der enge Bezug zu den Quellen und die genauen
Beschreibungen der Architektur lassen den Baumeister und seine Arbeit lebendig werden. Im Anhang sind
alle Quellen im Wortlaut chronologisch abgedruckt. Das einzige, was man vermisst, ist ein Register, das
angesichts des Umfangs der Arbeit durchaus hilfreich wäre. Peter Kalchthaler
Matthias Fröhlich: Burg und Bergbau im südlichen Schwarzwald. Die Ausgrabungen in der Burg am
Birkenberg (Gemeinde Bollschweil-St. Ulrich) (Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum
ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 20), Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2013, XI und 284 S. (S.
285-662 als Beilage auf CD-ROM), 153 Abb. sowie 58 Tafeln.
Nur wenige hundert Meter vor dem Ortsschild von St. Ulrich weist eine Tafel den Autofahrer auf den
„Lehrpfad Birkenberg" hin, der seit 2004 das dortige Bergbaurevier erschließt. Mit 23 Stationen führt der
Pfad in die Lebens- und Schaffenswelt der mittelalterlichen Bergleute ein, bis er beim Abstieg den Blick
frei gibt auf die Ruine der Birchiburg. Weder ihr genauer Standort noch ihre Baugeschichte waren vor
2004, dem Einweihungsjahr des Lehrpfades bekannt. Sie wurden erst durch die archäologischen Ausgrabungen
der Jahre 1998-2002 erschlossen, in den folgenden Jahren systematisch aufgearbeitet und nun in
einer eindrucksvollen Arbeit dokumentiert. Diese umfasst knapp 300 Druckseiten und weitere 400 Seiten
einer beigelegten CD-ROM.
Wie schon der Titel des Buches sagt, geht es dem Autor um das komplexe Beziehungssystem zwischen
Bergbau und Burg. In einer knappen Übersicht ordnet er zunächst sein Thema allgemein in die bisherige
montanarchäologische und in die historische Bergbauforschung zum Südschwarzwald ein, um dann gesondert
zuerst das „Bergbaurevier am Birkenberg", dann die „Burg am Birkenberg" mit ihrer jeweiligen
Forschungsgeschichte vorzustellen. In einem weiteren Kapitel führt er die beiden Themen auf dem Wege
über die urkundliche Überlieferung zusammen, die er detailliert auswertet. Methodisch aber fordert er
sowohl für die Burg als auch für das Bergbaugeschehen eine voneinander unabhängige Datierung, bevor
eine Beziehung zwischen beiden postuliert werden kann. Zuerst stellt er die doch recht spärlichen Schriftquellen
zur Geschichte des Möhlintals zusammen, die er als Besitzgeschichte namhafter Herrschaftsträger
in der Zeit von 1200 bis 1483 auslegt. Anhand einer tabellarischen Übersicht listet er sie noch einmal chronologisch
auf: die Bischöfe von Straßburg, die Grafen von Zähringen/Freiburg und die Familie Snewlin.
Der späten Ersterwähnung der Burganlage im Testament des Ritters Johann Snewlin genannt der Gres-
ser von 1347 misst der Verfasser keinen wesentlichen Stellenwert für die Baugeschichte der Burg zu, da die
Auswertung der Grabungsergebnisse in die Jahre 1225/30 zurückführen. Jedenfalls erschließt er für diese
Zeit die Errichtung eines Wohnturms als Mittelpunkt eines überwiegend friedlich genutzten Wohn- und
Wirtschaftsbereichs. Er diente dem ersten Bergmeister als Verwaltungssitz. Die phantasievolle Zeichnung
der „verschollenen Burg Birchiberg" aus der Feder von F. Hoch von 1887 kann er mit guten Gründen als
Kulissenarchitektur, nicht aber als ernstgemeinten RekonstruktionsVorschlag abtun.
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