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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2014/0217
Verwaltungsmaßnahmen vorbereitet. Generalfeldmarschall Keitel und der Chef der Reichskanzlei Hans
Heinrich Lammers hatten Bedenken geäußert, da die nach dem Waffenstillstand mit Frankreich de facto
annektierten Gebiete rechtlich besetztes Feindesland und die Einwohner keine Staatsangehörigen
des Deutschen Reiches waren. In Winniza wurde bestimmt und umgehend im Reichsgesetzblatt publiziert
, dass deutschstämmige Elsässer, Lothringer und Luxemburger mit Beginn des Dienstverhältnisses
bei der Wehrmacht oder der Waffen-SS die deutsche Staatsangehörigkeit erhielten. Ein entsprechendes
Verfahren hatte Wagner schon seit dem Spätjahr 1940 bei der (wenig erfolgreichen) Anwerbung elsässi-
scher Freiwilliger für die Wehrmacht, Waffen-SS oder die Hilfspolizei angewandt.

Ebenfalls in einem Führerhauptquartier, „Tannenberg" auf dem Kniebis, hatte Wagner im Juni 1940
von Adolf Hitler den Auftrag erhalten, das Elsass zu verwalten, die Elsässer zu „guten Deutschen" und
zu Nationalsozialisten zu machen; zehn Jahre sah Hitler dafür vor. Wagner, von Ehrgeiz besessen, wollte
es in fünf Jahren erreichen - mit allen Mitteln. „Sous la ferule (Zuchtrute) du nazisme" setzt Vonau als
Titel über den ersten Teil seines Buches, eine Bilanz der Geschichte seiner Heimat während des Zweiten
Weltkriegs. Einleitend beschreibt er den zügigen Aufbau der deutschen Zivilverwaltung im Sommer 1940,
die den Okkupationsstatus ablöste. Er lässt den Leser wissen, wie und wo sich in Straßburg die leitenden
Dienststellen einrichteten, wo die Partei residierte und dass ihr Wirken schwer von dem des Staates zu unterscheiden
war. Deutsch wurde Amtssprache, der Gebrauch des Französischen in der Öffentlichkeit verboten
. Etliche Tausend deutsche Beamte kamen aus dem Reich. Elsässische Beamte und Angestellte, die im
öffentlichen Dienst verbleiben wollten, mussten sich zum Deutschtum bekennen. Bei Lehrern genügte die
einfache Unterschrift nicht; sie mussten sich einer Umschulung in Baden oder Württemberg unterziehen.
Schon in diesem Stadium verbreitete sich eine Atmosphäre des Misstrauens und der Angst.

Wagner ermunterte junge Leute zum freiwilligen Eintritt in den Reichsarbeitsdienst (RAD). Er war
noch kein Jahr im Amt, als er den RAD für den Jahrgang 1922 (Männer) und 1923 (Frauen) zur Pflicht
machte. Damit provozierte er zum ersten Mal offene Feindseligkeit. Vonau spricht von einem „premier
tournant". Die Vokabel „Wendepunkt" weist auf vorherige Aktionen der neuen Machthaber mit positiver
Wirkung hin: Die geordnete Rückführung der Evakuierten, die 1939 aus der gefährdeten Zone zwischen
Grenze und Maginot-Linie in verschiedene Departements an der Dordogne gewiesen worden waren, und
die Entlassung der elsässischen Kriegsgefangenen gehörten dazu. Die Negativspirale drehte sich indes weiter
, nach der Eröffnung der Front im Osten immer schneller. Der RAD wurde schließlich auf die Jahrgänge
1920 bis 1928 (männlich) und 1923 bis 1926 (weiblich) ausgeweitet, die statistischen Erhebungen dazu
dienten später der Erfassung der Wehrfähigen für den Frontdienst.

Düster und beklemmend ist das Kapitel über die Lager im Breuschtal: Schirmeck und Struthof.
Das erstere wurde gleich zu Beginn der Ära Wagner eingerichtet unter Verwendung einer vorhandenen
Barackenanlage auf Gemarkung Vorbrück (La Broque). Das Lager füllte sich rasch mit frankophil
Gesonnenen, die gegen die „germanisation et nazification" opponierten. Bald wurden dort
Wehrdienstverweigerer und bei Fluchtversuchen Festgenommene interniert. Die Kapazität des Lagers
beziffert Vonau in der Schlussphase mit 2.000. Er berichtet von perfiden Quälereien von Seiten der hier
eingesetzten Polizei- und SS-Angehörigen, unter denen etliche Strafversetzte aus Deutschland waren; aber
auch das einheimische freiwillige Wachpersonal habe sich fanatisieren lassen und mitgewirkt. Unfassbare
Grausamkeiten spielten sich im Lager Struthof auf Gemarkung Natzweiler ab. 52.000 Häftlinge, Deportierte
aus ganz Europa, gingen hier zwischen 1941 und 1945 durch die Hölle von Terror und Zwangsarbeit. Vonau
bezeichnet Struthof als Vernichtungslager, dessen Geburtsstunde ein Vertrag über die Eröffnung eines
Granitsteinbruchs war. Er beschreibt die Örtlichkeiten, alle über 700 m hoch gelegen: das Barackenlager,
den Steinbruch, die Gaskammer beim alten Berggasthaus Struthof. Bezüglich des Lagers Struthof nimmt
Vonau Robert Wagner von Schuldvorwürfen aus: Wenige Elsässer seien hier interniert worden, Wagner
wollte sie diesem Regime nicht unterwerfen, in der Hoffnung, sie doch noch umerziehen und zu guten
Deutschen machen zu können.

Spannende Geschichten bietet der Autor im Kapitel „La Resistance face ä la Gestapo". Im Mittelpunkt
steht der „Elsassrapport", ein Bericht über die politische und wirtschaftliche Lage im Elsass, der im April
1942 in einem Zug Paris-Toulouse der Gestapo in die Hände fiel. Via Spanien sollte er die Regierung

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