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Mit dieser abendlichen Einladung am Fastnachtsmontag wurden also an den drei Fastnachtstagen
insgesamt vier ausgedehnte Mahlzeiten gehalten. Darüber empört sich Abt Steyrer
besonders dann, wenn auch noch unerwünschte „externe Gäste ankommen, wie es fast immer
der Fall ist, die hernach über das Kloster lästern, und von denen die Hl. Schrift sagt: Er wird
die Undankbaren aufnehmen und ihnen zu essen und zu trinken geben, und muss dafür noch
verletzende Worte hören. Eccl. 29 v. 32".11 Seinem Ärger darüber machte Steyrer nicht nur in
seinem Diarium Luft, sondern auch im Gespräch mit seinem St. Märgener Amtsbruder Fritz,
der dies sehr anschaulich wiedergibt: Dan verwichend Jahr sind Officier und andre Beambte
von Freyburg über die ganze Faßnacht allda [in St. Peter] geweßen, und solche Leith pßegen
insgemein die Gottshaüßer nachhero außzurichten. Es ist also der Herr Prälath gesinnet, die
Gäste nach und nach von dem Convent abzuziehen}2
Im Tagebuch Abt Steyrers liest man von seinem von Jahr zu Jahr wachsenden Widerwillen
gegen die Klosterfastnacht (Abb. 3). An einem Dienstag stöhnt er mit dem pathetischen antiken
Klagelaut eheu (ach und weh!) darüber, dass das gleiche übliche Gastmahl wie am Vortag stattfindet
: Convivium eheu! consuetum ut heri. Immer wieder boykottiert er das lange Festmahl
und speist allein: „Faßtn. Dienstag [...]. Heute habe ich das Mittagessen und Abendessen im
Konklave eingenommen, aus Abscheu gegen die lange Sitzung im Konvent, die endlich abgeschafft
werden sollte! Aber noch dringender müssten die vielen Gäste abgeschafft werden." In
einer Kapitelversammlung versuchte er, dem ganzen Fastnachtstreiben ein Ende zu bereiten.
Er argumentierte, die vier Festmähler an den drei letzten Fastnachtstagen passten nicht in die
gefährlichen Zeiten, man solle die Gäste ausschließen und - das Abendessen am Fastnachtsdienstag
ausgenommen - zu maßvollen Mahlzeiten (moderatas refectiones) ohne Kolloquium
zurückkehren, da die Ordensregel jede Unterhaltung beim Essen (coena regularis) verbiete.
Der Abt wollte dies aber nicht einfach anordnen, sondern ließ seinen Kapitularen zwölf Stunden
Zeit, sich ihre Meinung zu bilden. Das Resultat: die meisten Älteren wollten den bisherigen
alten Brauch - nach Steyrers Ansicht: Missbrauch beibehalten, während die Jüngeren bereit
waren, sich seiner Anordnung zu fügen. Er wagte indessen nicht, seinen Willen kraft seiner
Autorität durchzusetzen, da er die Eintracht und den Frieden in der Ordensgemeinschaft durch
die fastnachtswilligen Patres in Gefahr sah. Aus Trotz und Resignation blieb er nach dieser Kapitelversammlung
an allen drei Fastnachtstagen den Mahlzeiten fern und speiste demonstrativ
allein im Konklave, denn „noch immer waren mir die vier langen Sitzungen dieser dreitägigen
Bacchanalien verhasst, und zwar jetzt am allermeisten [...]. Trotzdem habe ich auch in diesem
Jahr diesen schändlichen Missbrauch zugelassen, wenn auch aufs äußerste verärgert, um unzufriedenes
Murren zu vermeiden, und auch weil einige gedroht hatten, sich an den Ordenspräses
zu wenden, falls der Brauch aufgehoben würde".13
Zu den Kostbarkeiten im Kirchenschatz von St. Peter gehört ein 1522 geschaffener, mit
reicher Gravierkunst verzierter Messkelch,14 der auch in unserem Themenzusammenhang interessant
wird: In winzigen Porträts sind auf seinem Fuß wie in einem mittelalterlichen Totentanz
die Vertreter der damaligen Stände dargestellt, vom Kaiser bis zum Handwerker, und zwischen
ihnen ist auch das Bild eines Narren eingraviert (Abb. 4). Dieser Narr bringt nicht fröhliche
Fastnachtsstimmung zum Ausdruck; in der Tradition der Narrenliteratur der Zeit (1494 war
Ebd., 3.2.1761 und 2.3.1772.
Fritz (wie Anm. 1), 25.2.1772.
Steyrer (wie Anm. 1), 12.2.1771, 22.2.1772 und 2.3.1772.
Alfred Erhart: Der Kirchenschatz von St. Peter, in: St. Peter im Schwarzwald, hg. von Hans-Otto
Mühleisen, München und Zürich 1977, S. 124-143, hier S. 128; Das Vermächtnis der Abtei. 900 Jahre St.
Peter auf dem Schwarzwald, hg. von Hans-Otto Mühleisen, Karlsruhe 1993, S. 318f.
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