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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0093
Die Fähigkeit zur Erkennung kriegsbedingter psychischer Krankheiten schien sich also im
Laufe des Krieges verbessert zu haben, doch ging dies nicht unbedingt mit einem Verständnis
für deren eigentliche Ursachen einher. Gerhard Hotz beispielsweise führte in dem erwähnten
Aufsatz die große Zahl von Psychosen, Delirien und Hysterien, die man seit Kriegsausbruch
sogar unter der Zivilbevölkerung beobachten könne, primär auf psychische Vorbelastungen der
Betroffenen zurück: Hätten sich diese Individuen in Friedenszeiten noch in den Grenzen der
Gesellschaftsordnung halten können, habe sich ihr psychisch labiler Zustand in Kriegszeiten
zwangsläufig negativ ausgewirkt.33 Solche Erklärungsmuster waren dazu angetan, die neue
Brutalität und Grausamkeit des modernen industrialisierten Massenkrieges als genuine Auslöser
psychischer Erkrankungen von Soldaten zu verharmlosen.

Trotz dieser Probleme und partiellen Defizite handelte es sich beim Freiburger Kriegslazarettwesen
über weite Strecken des Ersten Weltkriegs um ein alles in allem funktionierendes
und leistungsfähiges System. Zu keinem Zeitpunkt kam es etwa zu einer Bettenknappheit.34
Sowohl den größeren Reservelazaretten als auch den kleineren, privat geführten Vereinslazaretten
wurde von den Ärzten, die im Auftrag des Sanitätsamts 14 die Inspektion der Freiburger
Lazarette vornahmen, eine im Allgemeinen gute Unterbringung und ärztliche Versorgung
der Verwundeten bescheinigt.35 Auch ausländische Sachverständige fanden für die Freiburger
Kriegslazarette Worte des Lobes. So besuchten mehrere Schweizer Ärzte, zum Teil im Auftrag
von Kantonsverwaltungen, im Oktober 1914 die badischen Lazarette. Sie waren beeindruckt
von der musterhaften Organisation und Hygiene in den Freiburger Lazaretten und rühmten die
ausgezeichnete Pflege der Verwundeten und das gute, reichliche Essen.36

Gegen Ende des Krieges offenbarten sich allerdings auch im Freiburger Kriegslazarettwesen
zunehmende Auflösungserscheinungen. Das Problem war, wie bereits angedeutet, weniger
die Bettenkapazität: Sie erreichte mit 5.500 verfügbaren Betten im Oktober und November 1918
ihren Höhepunkt und lag stets über der Zahl an Lazarettinsassen, die mit 5.075 Verwundeten
Anfang November 1918 ihren höchsten Stand aufwies.37 Vielmehr war es der Mangel an geeignetem
Pflegepersonal, der die Sanitätsverwaltungen vor unlösbare Probleme stellte. Bereits ab
dem März 1917 hatten sich Meldungen gehäuft, wonach die Lazarettschwestern aufgrund der
körperlich wie psychisch sehr anstrengenden Arbeit bei gleichzeitig fehlendem bzw. geringem
Verdienst zunehmend in die besser bezahlende Industrie abwanderten, zumal die Lebenshaltungskosten
angesichts der großen Preissteigerungen immer höher wurden.38 Im Februar 1918
senkte man deshalb die Standards für die fachliche Qualifikation von Vollschwestern: Diese
mussten fortan nicht mehr eine staatliche Anerkennung vorweisen; es genügte nun der Nachweis
einer ausreichenden praktischen Erfahrung als Krankenschwester in Kriegslazaretten, um
in den Status von bezahlten Vollschwestern aufzusteigen. Ebenso wurden den Lazarettschwes-

Vgl. Hotz (wie Anm. 5), S. 4.

Vgl. die Wochenberichte des Roten Kreuzes, StadtAF, C3/775/7.

Kurzer Bericht des Sanitätsamts 14, Karlsruhe, über die Inspektionsreise in Südbaden vom 10. bis 20.
April 1915, 28.4.1915, GLA, 456 F 113, Nr. 88/1; Bericht über die Besichtigung der dem Reserve-Lazarett
Freiburg unterstellten Lazarette an das Sanitätsamt XIV. Armeekorps, 5.7.1916, ebd., Nr. 88/2.
Die Berichte der Schweizer Ärzte sind abgedruckt in: Werthmann (wie Anm. 6), S. 170-187.
Vgl. die Wochenberichte des Roten Kreuzes zu den letzten Kriegsmonaten, StadtAF, C3/775/7.
Vgl. folgende Berichte: Stellvertretender Militär-Inspecteur der freiwilligen Krankenpflege an die Territorial
- und Reservelazarettdelegierten, 2.3.1917; Sitzungsprotokoll des Siebener-Ausschusses der Frauenvereine
vom Roten Kreuz (ohne Datum, vermutlich Herbst 1918), GLA, 69 Badische Schwesternschaft,
Nr. 32 und 33.

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